Mirjam Thomann

Ausstellungsansicht, 2016
Aufstellung (Women and Space), 2010/2016
Beton, Glas, Ralph Lauren Paint Lifestyle Color Artist Grey

Noch jedes kĂŒnstlerische Handeln basiert auf PrĂ€missen. Die Tradition eines Mediums, das Wissen einer Generation, die Ausbildung zur KĂŒnstlerin, der Kanon eines Milieus, die Bedingungen einer Institution, die Vorgaben einer Raumsituation, die MachtverhĂ€ltnisse im Betrieb: Sie sind das, was kĂŒnstlerischen Entscheidungen vorausgeht und ihnen zugrunde liegt, und sie wurden lange Zeit als so selbstverstĂ€ndlich angesehen und behandelt, dass ihnen allenfalls eine implizite Bedeutung zukam. [ 
 ]

Mirjam Thomann teilt sehr entschieden die historisch entwickelte Aufmerksamkeit fĂŒr das Vor- liegende und Vorauszusetzende. Die UmstĂ€nde, denen sie auf dem Weg zu einem neuen Projekt, einer neuen Arbeit begegnet, werden nicht aus dem Weg gerĂ€umt, sondern neu konfiguriert, arrangiert, inszeniert, ergĂ€nzt. Dabei schöpft ihre kĂŒnstlerische Praxis, bewusst oder unbewusst, effektvoll aus der Etymologie des englischen „premise“. Im Sinne der argumentativen Logik ist eine PrĂ€misse, auch im Englischen, die Voraussetzung, aus der sich eine Schlussfolgerung ablei- tet. „Premise“ aber hat zudem juristische Bedeutungen. Das Wort bezeichnet dann zum Beispiel eine frĂŒher erwĂ€hnte Stelle in einem Dokument oder „a basis, stated or assumed, on which rea- soning proceeds“ – den Ort, auf den sich die juristische Argumentation bezieht, um ihre PlausibilitĂ€t zu gewinnen.

Über diese logisch-juridische Dimension hinaus kann mit „premise“ je nach Zusammenhang aber ĂŒberdies ein StĂŒck Land mitsamt der sich auf diesem befindlichen GebĂ€ude oder ein einzelnes GebĂ€ude, mitunter nur ein GebĂ€udetrakt gemeint sein. In diesem architektonisch- rĂ€umlichen Zusatzsinne entwickelt der Begriff der PrĂ€misse bei Mirjam Thomann eine besondere ErklĂ€rungskraft. Architektonisch-rĂ€umliche Gegebenheiten, „premises“, begreift die KĂŒnstlerin als Stoff und Herausforderung. Es ist der Rahmen der Voraussetzungen. [ … ] Ihn anzuschauen, sich ihm zuzuwenden, ihn zu betreten sind potenzielle Handlungen. Die Gegebenheiten zeigen sich in ihrer Eigenschaft, etwas mit ihnen anstellen, sie wiederlesen, sie ĂŒberschreiben zu können. „Premises“ wĂ€ren also dazu da, mit Situationen, Unvorhergesehenem, auch Leuten gefĂŒllt und erweitert zu werden [ … ] Dabei erhöhen die Zugabe oder der Entzug von Information die Begreifbarkeit der VerhĂ€ltnisse. Geschichte als Bedingung gegenwĂ€rtigen Handelns zu erkennen weckt politisches Interesse. Der White Cube ist ja, gegen alle anderslautenden Behauptungen, nie das, was er sein soll. In der Abweichung vom modernistischen Ausstellungskörper öffnen sich LĂŒcken fĂŒr Korrekturen an der Erfahrung, die diese zu einer Ă€sthetischen machen. [ 
 ]

Dem Ernst der Auseinandersetzung mit dem Vorliegenden korrespondiert [dabei] eine spielerische, bisweilen ins Unernste kippende Mischung aus Reverenz und Irreverenz. Die PrĂ€missen und „pre- mises“ werden geschĂ€tzt, im doppelten Sinne von gemocht und taxiert. In Thomanns interessierten Zuwendungen liegt immer auch ein Blick fĂŒr SchwĂ€chen und unausgeschöpfte Potenziale.

Auszug aus: Tom Holert, „Machen wir uns etwas vor. Zu vier Dimensionen der Kunst von Mirjam Thomann“, in: 2015 Mirjam Thomann, hg. von Eva Maria Stadler und Mirjam Thomann, Berlin (Sternberg Press) 2015.

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Biografie

Mirjam Thomann

Lebt und arbeitet in Berlin.

1978 geboren in Wuppertal, Deutschland
2000-2006 Hochschule fĂŒr Bildende Kunst, Hamburg
1998-1999 Kingston University of London

Ausstellungen

2022“Theory and Action”, Galerie Nagel Draxler, Köln
2020“Scarecrow”, Uferhallen Berlin
2016Krobath, Vienna
2015 “Better Living”, Galerie Nagel Draxler, Berlin
2013“Art im Dumont-CarrĂ©â€, w/ Kalin Lindena, Galerie Nagel Draxler im Dumont-CarrĂ©, Köln
2012 “Good news-I hear the paradigm is shifting”, Galerie der Stadt Schwaz, Schwaz
“Out of Shape”, Lichthaus Arnsberg, Arnsberg
“New Positions”, Art Cologne, Stand Galerie Christian Nagel, Köln
2011“Check Room”, 4D, Berlin
2010“Aufstellung”, Galerie Christian Nagel, Berlin
2009“Shapes, Dimensions, Possibilities”, Casco – Office for Art, Design and Theory, Utrecht, Niederlande
2008“New Work”, Galerie Christian Nagel, Köln
“The Masking Piece”, w/ Carola Wagenplast, Pudelkollektion, Golden Pudel Club, Hamburg
“Places and Names”, w/ Jan Timme, Rental Gallery, New York
“The System Grows To Meet Requirements”, Galerie Durstewitz-Sapre, Hamburg
2007“no projects were undertaken, dazwischen#2″, mit Karolin Meunier, White Space, ZĂŒrich
2006“shift (inbetween)”, Diplomausstellung Hochschule fĂŒr bildende Kunst, Hamburg
2003“Better than life (my postmodernism)”, Av, Hamburg
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Gruppenausstellungen

2022“3 Months Later”, Klosterruine Berlin
2020“Uferhallen-Manifest”, Uferhallen, Berlin
“Wand an Wand an Wand”, Studio im Hochhaus, mit / with Heike Baranowsky, Veronika Kellndorfer, Berlin
“Times in Crisis”, Klosterruine Berlin
2018“MILIEU at After the Butcher, Berlin” (Katharina Aigner, Maria Eichhorn, Stephanie Taylor, Mirjam Thomann, titre provisoire, Jenni Tischer)
2016 North Coast Art Triennale, Gribskov
2015 “Wo ist hier? #2: Raum und Gegenwart”, Kunstverein Reutlingen, Reutlingen.
“Geh‘ und spiel mit dem Riesen. Kritik und Emanzipation von Kindheit”, Villa Stuck, MĂŒnchen
“Final Projects Exhibition”, Mackey Apartments and Garage Top, Los Angeles
“Superselecto, Selecto Planta Baja”, Los Angeles und / and Kunstraum Super, Wien/Vienna
2013“Risk Society. Individualization in Young Contemporary Art from Germany”, MOCA Museum of Contemporary Art, Taipei
ff Collaborations (TemporÀre Autonome Zone), Galerie im Körnerpark, Berlin
“Festival der Kleinskulptur”, Halle fĂŒr Kunst, LĂŒneburg.
“Neue Ware”, Galerie Christian Nagel, Köln
2012“Public Abstraction, Private Construction IV V”, Kunstverein Arnsberg, Arnsberg
“forming norming performing storming”, Galerie Christian Nagel, Antwerpen
2011“The Grand Domestic Revolution. Project Exhibition”, Casco, Volksbuurt Museum, De Rooie Rat, Utrecht, Niederlande
“B_Books”, Lothringer Halle 13, MĂŒnchen
“Malerei. Konkret. Analytisch. Radikal. Oder so”, Overbeck-Gesellschaft, LĂŒbeck
2010“Jahresgaben 2010″, WestfĂ€lischer Kunstverein, MĂŒnster.
“Der diskrete Charme des blinden Flecks”, WestfĂ€lischer Kunstverein, MĂŒnster
“Man könnte es auch die ElastizitĂ€t des Raumes nennen”, Forgotten Bar und Bibliothekswohnung, Berlin
“Paradise Lost – Holidays in Hell”, Centro Cultural Andratx, Mallorca, Spanien
20092009
“Zeigen. Eine Audiotour durch Berlin von Karin Sander”, TemporĂ€re Kunsthalle Berlin
“The curtains close on a kiss”, Galerie Durstewitz-Sapre, Hamburg
“Galerie Christian Nagel zu Gast in Wien”, KunstbĂŒro, Wien
“Projektraum Kunsthalle Mannheim”, Kunsthalle Mannheim, Ausstellungsarchitektur (zusammen mit Jochen Schmith)
2008“Wunderkammer LĂŒneburg. Jahresgaben 2008”, Halle fĂŒr Kunst, LĂŒneburg
“Soziale Diagramme. Planning Reconsidered”, KĂŒnstlerhaus Stuttgart, Stuttgart
2007“Jahresgaben 2007 / 2008″, Kunstverein in Hamburg, Hamburg
“Gemischtes Doppel”, Kunstverein in Hamburg, Hamburg
“Kunststudentinnen und Kunststudenten stellen aus”, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn
2006“Bewerber und Bewerberinnen fĂŒr die Hamburger Arbeitsstipendien fĂŒr bildende Kunst 2007″, Kunsthaus Hamburg, Hamburg
“Jahresgaben 06 / 07″, Kunstverein Braunschweig, Braunschweig
“LandungsbrĂŒcken”, Atelierfrankfurt, Frankfurt/Main
2005“Akademie. Kunst lehren und lernen”, (Modulator, Gemeinschaftsarbeit der Klasse Eran Schaerf), Kunstverein in Hamburg, Hamburg
“post-double-super-high-opening”, Galerie der Hochschule fĂŒr bildende Kunst, Hamburg
2004 “NOT IN MY NAME”, KX, Hamburg
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