Julian Opie
Letzten Sommer sind wir in der Stadt festgesessen, und da fiel mir auf, wie es sich die Leute überall in den Londoner Parks bequem gemacht haben. Ihre Körper nahmen unterschiedlichste Positionen ein und wirkten dabei gleichzeitig recht plastisch und doch sehr menschlich. Jedes Grüppchen wirkte auf seiner Weise sehr klassisch, und das erinnerte mich an Manets berühmtes Bild. Unsere Körper und Gliedmaßen, die Schwerkraft und das Gleichgewicht, all das lässt nur eine begrenzte Anzahl an Positionen zu, in denen wir uns entspannen und gleichzeitig miteinander interagieren können. Ich tat so, als würde ich eine SMS schreiben und fotografierte dabei heimlich diese Grüppchen mit meinem Handy.
Dann lud ich meine Tochter und drei ihrer Freunde in mein Studio ein und bat sie, verschiedene legere Outfits mitzubringen. Ich bat sie dann die Positionen nachzustellen, die ich in den Parks gesehen hatte. Mein Assistent und ich haben sie von allen Seiten fotografiert, und ich versuchte sie dann mit einfachen Linien nachzuzeichnen, als wären sie Möbelstücke.
Wie sich herausstellte, war das nicht so einfach. Ich bin es gewohnt, Fotos als eindimensionale Bilder nachzuzeichnen, aber diesmal war es anders. Wir luden die Modelle nochmals ins Studio ein und scannten ihre Körper mit einer iPhone-App. Das funktionierte besser, da die App die Verzerrungen der Fotografie vermeidet und viel mehr Information wiedergibt. Trotzdem war es schwierig, und ich musste mehrmals meine AssistentInnen bitten, meine Zeichnungen in 3D-Computermodelle umzuwandeln, die ich dann im Raum drehen und positionieren konnte. Jedes der vier Modelle nahm in seinen verschiedenen Outfits die verschiedenen Posen ein, die ich im Park beobachtet hatte, und so entstanden nach und nach rund 24 Figuren. Ich wollte diese Figuren dann in unterschiedlichen Posen wie bei einem Picknick in Gruppen arrangieren.
Ich stellte diese Statuen in eine virtuelle Galerie und verwendete VR-Brillen, um zu ihnen in den Raum zu treten. Mit dem Programm konnte ich alle 24 Figuren sehen und sie in Vierergruppen zusammenstellen. Bisher waren meine Statuen immer flach, wie ausgeschnittene Zeichnungen. D.h. ich konnte sie aus flachen Materialien wie Sperrholz-, Bronze- und Aluminiumplatten ausschneiden oder, wie zuletzt, sie ausgehend von geraden Linien aus Stahlträgern und Holzbalken bauen. Aber rechtwinkelig geschnittene Materialien funktionierten nicht bei diesen in verschiedene Richtungen gebogenen neuen Figuren. Es ist schwer zu erklären, aber man kann ein eckiges Rohr nur in eine Richtung schneiden und abwinkeln, sodass man eine bündige spitze Ecke bekommt. Sobald man versucht, da eine Drehung hineinzubringen, ist die Ecke nicht mehr bündig. Die einzige Lösung war, runde Rohre zu verwenden, die man schön sauber in alle Richtungen abwinkeln kann. Das war eine Erleuchtung für mich. Und plötzlich sah ich überall runde Rohre: Als glänzend schwarz lackierten Handlauf bei den Stiegen runter zur U-Bahn. Als glänzend weiß lackierte Absperrung in einem Fußballstadion oder als Edelstahl-Ringe am Gehsteig, an denen man das Fahrrad anhängen kann. Mit der Technik der runden Rohre war fast jeder Winkel möglich, und somit konnte ich auch Kurven darstellen.
Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit Holzstatuten aus Indonesien aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Diese wurden von austronesischen Volksstämmen in Borneo und Sulawesi sowie Vietnam und Sumba hergestellt. Diese Figuren sind alle sehr frontal, wobei mir bei manchen aufgefallen ist, dass die Knie gebeugt waren. Ich fand dann auch Figuren, deren Körper in der Hockerstellung waren. Das brachte mich auf die Idee, mit meiner seit Jahren verfolgten Arbeit mit flachen Materialen zu brechen. Ich beobachtete jetzt die Leute um mich mit anderen Augen und merkte, dass ihre Körperhaltung und Gliedmaßen andere Möglichkeiten eröffneten und komplexe flächige Faltungen zulassen. Auf dem Flughafen sah ich Menschen, die sich stehend oder hockend an die Wand lehnten. Und das brachte mich auf die Idee, alternativ zu den anderen Figuren eine Gruppe von Figuren zu entwerfen, wo sowohl der Boden als auch die Wand als Stütze für die Figuren zum Einsatz kommen.
Normalerweise stellt ein Künstler seine Gemälde oder Skulpturen in einer Galerie aus, wo sie von Besucherinnen und Besucher besichtigt werden, die sich ebenfalls im künstlerischen Raum befinden, aber in einem anderen, parallelen Sinn. Ich wollte den Raum mit Darstellungen von den BesucherInnen selbst vollstellen. Ich habe vor, die Galerie so mit Figuren zu bevölkern, als wäre sie ein öffentlicher Park oder ein Warteraum.
Text: Julian Opie
Eröffnung: 11 Juni 2022
Ausstellungsdauer: 11 Juni – 31 August 2022
Sophia Süßmilch
Sophia Süßmilch und die Ausstellung des Kleinen Mannes (Selbstbildnis mit Krokodil)
Pain, oida. So einen Pain wie diese Sophia Süßmilch in ihrem Kopf musst du erst mal haben.
Aber macht nix, wir verrotten ja alle irgendwie. Im Kapitalismus, und da ist ja der Kunstmarkt das Allerärgste, da muss funktionieren, muss muss muss, tack tack tack.
Und als Künstlerin, da musst du ja überhaupt die Allerbeste sein, etwas ganz Besonderes, hervorstechen aus der grauen Masse der Individualistensäue.
Da entsteht ein Druck, schon wenn du früh morgens die Äuglein aufmachst müssen dir die genialsten Gedanken kommen, wenn du dich mal fünf Minuten zu Ruh legen willst, dann ham sie dich schon alle überholt.
Ganz gewiss nicht darfst du es machen wie der kleine Mann: ein Leben führen. Bestehend aus vielen Teilen, die sich alle unterscheiden und abwechseln, bis das Leben wieder vorbei ist, alles normal.
Das Leben war vorbei in dem Moment als sie die Mappe für die Kunstakademie abgegeben hat.
Bäm Bäm Bäm, Süßmilch, komm hau die Brüste raus, ist dieses painting schon verkauft.
Der Pressure sitzt, jetzt wo die Frau bald 40 ist, fest in ihrem Schädel.
Denn auch wenn Sie ein Göttin sein möchte, sie ist doch nur ein Menschlein mit ihrem kaputten Schädel, der Ideen spucken muss.
Da fetzen die Bilder da faucht die Muschi, es rauschen die Nerven, noch spürt das Herz.
Der Glaube sitzt da in ihrem Herzen, dass geboren zum Genie sie nicht ist, dennoch, vielleicht, wenn Sie sich ganz ganz arg anstrengt, dann.
Hätte man sie doch nur einmal zur Klassensprecherin gewählt in ihrer Kleinstadt, es wäre die ganze Nummer mit Künstlerin pi pa po erspart geblieben.
Das Leben ist Leiden, ist Schädlweh: sitzt da festgebissen wie ein Krokodil das zu faul und zu blöd zum Laufen ist. Mappe abgegeben, Festgeschnappt. Hat es sich und sitzt seitdem dort.
Kennt ihr es schon? Kennt ihr es auch? In meinem Schmerz, da möchte ich nicht alleine sein.
Nicht musst du alleine sein, Sophia Süßmilch, weil ich bin du und du bist ich, ach sind wir nicht alle nur der Kleine Mann. Nur so ein Gedanke, Süßmilch, mitten im Schmerz, da sitzt er doch, der Gedanke „Kleiner Mann“ , der ist bei dir und ihr seid ohne Einsamkeit. Es ist der Gedanke, der zählt.
Sei Göttin, sei gut und normal, sagt er.
Das ist schön
Wir sind jetzt hier, Krokodil, Mann und ich.
Und im Pain
Da muss man nicht alleine sein.
Da teilen wir auf, weil gemeinsam ist man stark.
Kapitalismus freut sich auch, weil Arbeitsteilung Optimierung ist.
Der erste Gedanke des Tages muss stets sein:
Je suis moi, je suis toi, je suis Der kleine Mann.
Text: Sophia Süssmilch
PERFORMANCE:
“Lustiges Ostereier suchen”
mit Sophia Süßmilch und ihrer Mama
mit Felix Burger und Vito Baumüller
14. April 2022, 19 Uhr
Sofie Thorsen
Scherben
Datenrausch und globale Echtzeit-Kommunikation haben eine neue Form der medialen „Eigenzeit“ geschaffen. Die Möglichkeit, ununterbrochen über digitale Netzwerke mit allen verbunden zu sein, hat die Hoffnung zunichte gemacht, die Kontrolle über die Zeit behalten zu können. Die Vergangenheit schrumpft zusammen, die Zukunft entzieht sich der Steuerung. Das Gefühl von Zeitlosigkeit gepaart von dem der eigenen Vulnerabilität in einer aus den Fugen geratenen Welt ist kein Phänomen unserer von Pandemie, gesellschaftlichen Verwerfungen und Klimakrise beherrschten Gegenwart. Die Wiener Soziologin Helga Novotny hatte sich schon 1989 in ihrem Buch „Eigenzeit“ (1) mit der Frage beschäftigt, wie sich die Veränderungen in der Gesellschaft auf das Zeitgefühl auswirken. Das Empfinden über den Verlust von Zeit rückt gleichzeitig die Frage nach der eigenen Existenz und die Angst vor dem spurlosen Verschwinden in den Mittelpunkt, kurz die Frage, was und warum etwas von uns bleibt.
Die seit den späten 1990er Jahren in Wien lebende dänische Künstlerin Sofie Thorsen setzt sich seit Jahren in reduzierten Zeichnungen, Collagen und Skulpturen mit der Rolle von Archiven, Depots, historischen Bildmaterialien und archäologischen Sammlungen als Speicherorte unseres kulturellen wie soziopolitischen Gedächtnisses auseinander. Dabei sind es gerade die Lücken, die Fehlstellen, das, was aus dem gegenwärtigen kollektiven Erinnern oder dem sichtbaren Umfeld verschwunden ist, auf das die Künstlerin ihre Aufmerksamkeit lenkt. Denn was, wie gesammelt, archiviert, erforscht oder vernichtet wird, ist immer auch Spiegel einer bestimmten ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Situation.
Grundlage für Sofie Thorsens großformatigen Schwarzweiß-Frottagen und Wandobjekte in ihrer aktuellen Ausstellung in der Galerie Krobath ist die archäologische Sammlung des Stadtmuseums Odense in Dänemark. Sie durchforschte die digitale Datenbank von prähistorischen Gefäßscherben, Steinwerkzeugen, Bronzeobjekten und Schmuckstücken, die akribisch vermessen, nummeriert und fotografiert wurden bevor sie wieder in das Depot verschwanden. Thorsen entzieht die Objekte gleichsam dem Vergessen, indem sie die Vorlagen vergrößert ausdruckt, vervielfältigt, entlang der Umrisse ausschneidet und zu Collagen zusammensetzt. Die so entstehende reliefartige Oberflächenstruktur erlaubt es der Künstlerin, die Brüche und Kanten der Objekte durch Abreiben auf die Papierbahnen zu übertragen. Indem sie die collagierten Teile stets neu zusammensetzt, gegeneinander verschiebt oder spiegelt, schafft sie ein abstrakt-figuratives Formengefüge, das sich gegenseitig durchdringt und trotz der Reduktion auf die Umrisslinien der Objekte an räumlicher Qualität gewinnt. Verdichtete, sich gegenseitig überlagernde Formen wechseln sich mit großzügigen Leerstellen ab und wichtiger als die Wiedererkennbarkeit einzelner Formen sind die Beziehungen untereinander. Neben dem Interesse am Material und dem formalästhetischen Erscheinungsbild der aus dem Archiv gewählten Artefakte ist es stets der bewusste methodologische Nachvollzug von der Anwendung eines bestimmten künstlerischen Mittels, das im Zentrum von Sofie Thorsens Überlegungen steht. Denn die Frage nach den Kriterien, wann, warum und welche künstlerische Methode als Vermittlungsform zur Anwendung kommt, bedingt formale wie inhaltliche Verschiebungen. So lässt sich individuelle wie kollektive Erinnerung mit einer Collage vergleichen. Versatzstücke aus der Vergangenheit werden fragmentiert, gegenüber- und zusammengesetzt und mit Blick auf die gegenwärtigen sozialen und kulturellen Verhältnisse kontextualisiert. Bedeutungen entleeren, überlagen und setzen sich bruchstückhaft neu zusammen. Indem Thorsen den konstruktiven Prozess der Collage dem automatisierten Verfahren der Frottage entgegensetzt, schafft sie einerseits Distanz zum Objekt als auch geisterhafte Nähe durch das schemenhaftes Auftauchen von Vergangenem in der Gegenwart. Max Ernst, der in den 1920er Jahren das Potenzial der Frottage für sich neu entdeckt hat, bezeichnete das Verfahren als „ein technisches Mittel, die halluzinatorischen Fähigkeiten des Geistes zu steigern, dass ‚Visionen‘ sich automatisch einstellen, ein Mittel, sich seiner Blindheit zu entledigen.“ (2)
Vielleicht ist es der Wunsch das Vergangene dem Vergessen zu entreißen, der Wunsch, dem Schemenhaften Faktizität und dem Ephemeren Dauerhaftigkeit zu verleihen, der Sofie Thorsen dazu führt, den sich im künstlerischen Prozess der Frottage einstellenden „automatischen Visionen“ wiederum durch kleine gegossene Bildreliefs materielle Präsenz zu verleihen. In der Zusammenschau dieser Ausstellung gelingt ihr ein dialektisches Spiel zwischen Distanz und Nähe, Anwesenheit und Abwesenheit in der unmittelbaren Präsenz des Raumes, ein Abbild einer Gesellschaft, die dabei ist, ihre in Scherben zerbrochene Gegenwart aufzusammeln und für die Zukunft neu zusammenzusetzen.
(1) NOWOTNY, Helga. Eigenzeit. Entstehung und Strukturierung eines Zeitgefühls, Suhrkamp, 1989.
(2) Schamony, Ernst: Max Ernst, Münster, 2009, S. 32.
Text: Fiona Liewehr
Ugo Rondinone
„Man muss ein Kunstwerk fühlen können.“
Ugo Rondinone ist einer der international erfolgreichsten Künstler seiner Generation. Seine Arbeiten bewegen sich innerhalb verschiedener Medien wie Malerei, Skulptur, Film und Installation und beruhen auf einem vielfältigen und facettenreichen System an Bezügen und Querverweisen von der Deutschen Romantik bis zur amerikanischen Land-Art. Im Wesentlichen zeigt sich in seinem Werk der Versuch einer Visualisierung von Zeitlichkeit und des Gegensatzes von Spirituellem und Alltäglichen.
„Kunst zu machen und Künstler zu sein ist eher eine philosophische Aufgabe als eine, die mit der Herstellung von Objekten zu tun hat.“
Ugo Rondinone, der 1964 in Brunnen in der Schweiz geboren wurde, von 1986 bis 1990 an der Universität für angewandte Kunst bei Ernst Caramelle studiert hat und 1998 nach New York gezogen ist, wo er bis heute lebt und arbeitet, ist als Künstler, Poet, Sammler und Kurator tätig. 2007 vertritt er die Schweiz auf der Biennale in Venedig. Heute befinden sich seine Arbeiten in musealen Sammlungen weltweit.
„Ich warte darauf, dass mein Kopf völlig leer wird. Wie ein Raum, den noch nie jemand betreten hat, ein Zimmer ohne Türen oder Fenster. Ein Ort, an dem nichts geschieht.“
Seit über drei Dekaden überschreitet der international renommierte Künstler die Grenzen zwischen Medien und Disziplinen. In hochartifiziellen Installationen, die vielfältige Referenzen auf Kulturgeschichte und Popkultur aufweisen, schafft er suggestive Stimmungen, die das Lebensgefühl unserer Zeit einfangen. „Ein multimedialer Künstler zwischen Konzept und Romantik“, schreibt das Belvedere 21 auf seiner Homepage, „dessen Bildwelten die BetrachterInnen mit einer neuen Wirklichkeit konfrontieren, von der sie unweigerlich Teil werden.“ Akt in der Landschaft im Belvedere 21 (25. 11.2021 – 1.5.2022) ist Rondinones erste museale Einzelausstellung in Österreich. Parallel dazu freuen wir uns ganz besonders, nach 1993, 1998, 2002, 2012 und 2015 seine bereits sechste Einzelausstellung bei Helga Krobath ankündigen zu dürfen.
„Wie ein Tagebuch zeichne ich das lebende Universum auf. Diese Sonne, diese Wolke, dieser Regen, dieser Baum, dieses Tier, diese Jahreszeit, dieser Tag, diese Stunde, dieser Wind, diese Art von Erde, diese Art von Wasser, dieses Geräusch im Gras, diese Windstärke, diese Ruhe.“
Während sich Ugo Rondinone im Belvedere 21 auf Werkgruppen aus den klassischen Genres Akt und Landschaft konzentriert (neben den landscapes, aus Erde geformte Skulpturen, die unter anderem auf die Minimal-Art Bezug nehmen, zeigt die Ausstellung hyperrealistisch gestaltete nudes, introvertiert scheinende nackte Figuren aus Klarwachs und Erde) wurde bei Krobath Wien einen Raumerlebnis geschaffen, das ähnlich meditativ, aber doch ungleich bunter ist und Querverweise zu Romantik, Land-Art und Pop-Art aufweist.
„Kunst geht über die Sprache hinaus. Auch die Poesie. Sie haben Ähnlichkeit. Sie sind langsam. Sie schaffen ihre eigene Zeitlichkeit.“
Die Natur ist ein ebenso wichtiger Bestandteil in der Arbeit von Ugo Rondinone wie das poetische Spiel mit Gegensätzen. Tag und Nacht. Klein und Groß. Drinnen und Draußen. Und über allem liegen Melancholie, Einsamkeit und Stille. Da muss man nicht nur an den lebensgroßen Olivenbaum aus weiß emaillierten Aluminiumguss denken, mit dessen Präsentation das Kunsthistorische Museum 2012 nach langer Renovierung die Wiedereröffnung des Theseustempel im Wiener Volksgarten feierte.
„Ich beschäftige mich mit sehr einfachen Symbolen, mit denen sich jeder identifizieren kann.“
Die aktuelle Ausstellung bei Krobath Wien (04.11.-22.12.2021) – trägt den gleichermaßen poetischen wie bezeichnenden Titel a low sun . golden mountains . fall und verbindet dreizehn Skulpturen aus Rondinones mountain-Werkgruppe mit zwei seiner sun-paintings. Land-Art trifft Pop-Art. Grell bunt bemalte übereinander gestapelte Steine, jeweils miteinander verbunden über eine Konstruktion aus rostfreiem Stahl, werden mit fluoreszierenden Acryl-Airbrush-Kreisen auf runder Leinwand kombiniert, die als Titel den Tag ihrer Fertigstellung tragen und so der Zeitlosigkeit des Werkes ein präzises Datum gegenüberstellen. Das Resultat ist ein einzigartiges Raumerlebnis, ein meditativ-mystischer Ort, der jenseits dieser Tage und doch gleichzeitig mittendrin in unserer Gegenwart ist.
Curated by 2021 “COMEDY”
Vito Baumüller . Julie Bender Herdina . Gabi Blum . Leona Boltes . Felix Burger . Böhler & Orendt . Brad Downey . Anne Duk HeeJordan . Christian Eisenberger . Moritz Frei . Frankfurter Hauptschule . Andrew Gilbert . Veronika Günther . Leon Höllhumer . Claudia Holzinger/Lilly Urbat . Christian Jankowski . Anna Ley . Hoa Luong . Patricia Martsch . Anna McCarthy . Monika Michalko . Jannik Richard . Stefanie Sargnagel . Kristina Schmidt . Sophia Süßmilch . Veli & Amos . Valentin Wagner . Marcel Walldorf . Nouchka Wolf . Thomas Zipp
SPATZI SPEZIAL (Sophia Süßmilch und Valentin Wagner) werden im Rahmen des Galerienfestivals „curated by 2021“ bei Krobath Wien die Ausstellung „Bei Langeweile öfter mal das ABC aufsagen“ kuratieren.
Hier trifft das Festival übergreifende Thema „Comedy“ auf eine künstliche Reihung. Hier werden nicht Themen, zeitliche Abfolgen, Mengen oder Zusammenhänge der Arbeiten zum ausschlaggebenden Kriterium, hier diktiert uns das Alphabet seine künstliche Ordnung endlich vieler Objekte. Alpha und Omega. Auf diese Weise unterwandern SPATZI SPEZIAL gängige Formen des Zurschaustellens wie auch der Rezeption. Sie entziehen sich durch diese Weigerung nur scheinbar einem gewissen Diskurs, geben vor „das Spiel“ nicht mit zu spielen und scheitern kläglich.
Ideengebend ist die Videoarbeit „Bei Langeweile öfter mal das ABC aufsagen“ von Sophia Süßmilch aus dem Jahr 2011. In diesem Video tritt die Künstlerin in einem Bienenkostüm verkleidet in Coney Island, New York vor die Kamera und rezitiert gelangweilt das ABC. Am Ende sagt sie nüchtern „Ja, sonst nicht viel los hier“ und verlässt das Bild.
Schauen wir mal, was bei „Curated by 2021“ so los sein wird. Wenn es fad ist, gehen wir eben alle wieder nach Hause.
Überdies verwandelt sich das Kabinett der Galerie in ein einem Gruselkabinett; die KünstlerInnen versuchen sich an einem Klassiker, dem Genre des Clownsportraits.
Die Arbeiten der teilnehmenden KünstlerInnen changieren zwischen Heiterkeit und Düsternis und lieben den Blick in den Abgrund des Menschlichen. Dafür haben SPATZI SPEZIAL KünstlerInnen ausgewählt, die sie selbst als Inspiration für die eigene Arbeit erfahren haben.
Deren Namen man schon kennt sowie heisse Neuentdeckungen aus dem Umfeld des Künstlerinnenpaares.
PERFORMANCE
Samstag, 04.09.2021 um 17:00 Uhr
“ULK-KULT MIT PATZI UND FELIX: DAS GRENZÜBERSCHREITENDE KULTSTÜCK”
Eine Performance von Patricia Martsch und Felix Maria Zeppenfeld, mit einer Figur von Anna Pelz.
Sebastian Koch
Es liegt ein ganz offensichtlicher ernsthafter Witz in den Bildern Sebastian Kochs, der durch das Ausformulieren der Linie auf der Leinwand zum Ausdruck kommt. Eine gemalte Fläche wird durch eine Linie gestört, die Linie scheint nur soweit formuliert, bis es zu einem Dialog zwischen Fläche, Linie und Bildraum kommt. Koch betreibt dieses Spiel solange, bis diese Liniengefüge zu Assoziationen mit etwas außerhalb des Bildes liegenden anregen. Die Linien werden zu Zeichen, die wir nicht eindeutig zuordnen können. Aber eine leise Ahnung hat jeder Betrachter, sie reift nur nicht zu einer konkreten Form in unserer Vorstellung, obwohl die Linie eine ganz konkrete Form annimmt. Wenn diese Malerei dann noch mit einer Rahmenleiste versehen wird, die den Rand der Leinwand sichtbar macht, so lenkt er unseren Blick auf die Materialität der Malerei. Aber gleichzeitig verweist die Rahmung auch auf die Malerei der 50er Jahre und auf eine Zeit, als der abstrakte Expressionismus einen Wendepunkt der Malerei einleitete: Von der Projektionsfläche zum Materialkonstrukt. Koch fasst die Malerei als Konstruktion von Material auf, aber auch als Träger von Zeichen die auf ein „außen“ verweisen – mit dieser doppelten Konnotation eröffnet Koch ein Spiel der Zeichen, die in ihrer Lesbarkeit ganz im Sinne der Semiotik immer auch rätselhaft und uneindeutig bleiben und nicht einen gewissen Witz entbehren.
Bei Sebastian Koch handelt es sich nicht um eine reduktionistische Malerei, um das Abstrahieren von Formen aus einer gegebenen Vorlage heraus. Sie repräsentiert nicht das Sich-Abarbeiten an einer Vorlage, egal ob diese Vorlage nun die nun Natur oder Kunst wäre. Sie ist aber auch kein ständiges Erproben der malerischen Mittel um ihrer selbst willen. Koch behandelt alles als Material, daraus resultiert wiederum ein spielerischer Umgang. Er unterscheidet nicht zwischen bildnerischem Material, Ideenmaterial, oder dem tatsächlichen Material, aus dem Malerei (und die moderne Plastik!) entsteht, nämlich aus Farbe, Holz, Rahmen, Leinwand etc. Dass er sich immer auch mit Kunst auseinandersetzen muss ist dabei klar. Denn sobald er nur den geringsten Eingriff ins Material der Malerei setzt, beginnt das Spiel und die Bürde der Repräsentation. Malerei und sein Diskurs sind dafür seit dem beginnenden 20. Jahrhundert elaboriert genug um neue Angriffsflächen zu bieten. Man spürt die Lust an der Auseinandersetzung bei Koch, die nicht bei der Kunst endet und im Titel der Ausstellung ebenfalls zum Ausdruck kommt.
Text von Harald Krejci
Gerwald Rockenschaub
Die Galerie Krobath freut sich, die erste Einzelausstellung von Gerwald Rockenschaub (*1952 in Linz, lebt und arbeitet in Berlin) in ihren Räumen zu zeigen. Unter dem Titel „astrobot(n)ic / philanthropic / this/that interlude (vision)“ präsentiert Rockenschaub eigens für diesen Anlass entstandene Arbeiten, die zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit changieren und in denen der Künstler seine wahrnehmungspsychologische Untersuchungen weiterführt. Da wären zum einen großformatige Intarsienbilder aus Plexiglas, bei denen unterschiedliche Elemente derart passgenau zu einem Motiv zusammengesetzt sind, dass sie zu einer einheitlichen Ebene verschmelzen, was sich allerdings erst bei genauem Hinschauen erschließt. Die Frage, was hier eigentlich zu sehen ist, wird auch in der neuen Werkgruppe der Gravurenbilder behandelt. Sie gehören zu den subtilsten Arbeiten von Rockenschaub. Auf den ersten Blick scheint es sich um monochrome Plexiglasbilder zu handeln, deren glatte Oberflächen den Umraum reflektieren. Wechseln die Betracher*innen jedoch den Standpunkt, offenbaren sich fein-gefräste Zeichnungen, die verschiedene Assoziationen hervorrufen.
Je nach Position und Lichteinfall ändert sich bei den Gravuerenbildern also das, was wir sehen oder zu sehen glauben. Das kann man politisch verstehen, etwa als Aufforderung, immer mal wieder die Perspektive zu wechseln. Aber auch eine andere Lesart wäre denkbar, wofür der Ausstellungstitel spräche: „astrobot(n)ic / philanthropic / this/that interlude (vision)“ wirkt wie Klangpoesie, deren Worte wie die minimalistischen Lineaturen der Gravurenbilder unzählige Verbindungen zur Realität ermöglichen. Aufgrund der rhythmischen Betonung kann man sich den kryptischen Slogan aber auch sehr gut als gerappten Refrain in einem Stück elektronischer Clubmusik vorstellen. Dann wären die neuen Gravurenbilder von Rockenschaub so etwas wie visuelle Musik oder musikalische Visionen, die uns in Bewegung setzen – und am Ende vielleicht sogar zum Tanzen bringen.
Caroline Corleone | Theresa Eipeldauer | Anna Meyer | Muntean/Rosenblum | Haleh Redjaian | Esther Stocker | Katja Strunz | Sofie Thorsen | Jenni Tischer
CAROLINE CORLEONE
Geboren 1982 in Erlangen, D. Lebt und arbeitet in Berlin, D.
Caroline Corleones Kunst greift die grundlegenden Malbewegungen der letzten Jahrzehnte wie abstrakten Expressionismus oder Farbfeldmalerei. Da sie am Puls der Zeit ist, findet sie Inspiration in postmedialen Strategien des Kopierens und der digitalen Montage. Sie verwendet gerne Stoffe, spielt wild mit Mustern oder „malt“ mit ihrer Nähmaschine auf Leinwand. Ihre Kunstwerke ziehen den Bogen zwischen Realem, Digitalem und Gemaltem: Künstliche Formen nachgeahmter Natur treffen auf urbane Interventionen, abstrakte Pinselstriche kreuzen Fragmente und Reste sich wiederholender digitaler Muster.
Die neue Werkserie ist inspiriert von Textilentwürfender Künstlerin Mathilde Flögl (Wiener Werkstätte).Die mehr oder weniger zufälligen Formen der Textilzuschnitte Flögls aus dem MAK Archiv (vor Ort Recherche im Februar 2019) sind der Ausgangspunkt für neue Kompositionen, erweitert mit grafischen „Zeichnungen“ per Nähmaschine.Die Pattern Serie PPI* findet in der Flögl Serie eine Weiterführung, indem gegebene Pattern als fragmentarische Stellvertreter in blow ups als eigenständige künstlerische Arbeiten Form finden.
THERESA EIPELDAUER
1985 geboren in Wien, A. Lebt und arbeitet in Wien, A.
Die bildnerische Reichweite der von Theresa Eipeldauer eingesetzten Formensprache durchkreuzt eine Fülle von Materialien und technischen Prozessen, die auf das Primat der Zeichnung und der Malerei zurückzuführen sind, diese Medien jedoch in unterschiedlicher Weise analysieren und in einer weiteren Stufe räumlich fortführen.
Momente der Transparenz zeigen sich in den Strichzeichnungen von Theresa Eipeldauer, bei denen es sich um eine Vervielfältigung des Themas Linie handelt, die auf einer Folie und oftmals auch in einem zweiseitig begehbaren Stellwand-Trägersystem eingebaut, die Schwerkraft des Raums aufzuheben scheinen. Mit dieser Trope rekurrieren Eipeldauers Arbeiten auf Friedrich Kieslers Leger- und Trägersystem, das er für die internationale Theater-ausstellung 1924 in Wien entwickelt hatte. Dabei handelte es sich um eine modulare, freistehende Konstruktion von Bühnenelementen, auf denen Objekte und Bilder präsentiert wurden. Ebenso zeigen sich hier inhaltliche Parallelen, wenn Eipeldauers grafische Formationen in einigen Instanzen Referenzen zu Kieslers Formensprache aufweisen. Aus: Heike Maier-Rieper. “Theresa Eipeldauer.” in: 95-2015 Jubilee evn collection. Wien: Verlag für moderne Kunst, 2015.
ANNA MEYER
Geboren 1964 in Schaffhausen, CH. Lebt und arbeitet in Wien, A.
In ihren Werken (Bildtafeln, Zeichnungen, Modellen, Interventionen im öffentlichen Raum) setzt sich Anna Meyer auf ironisch-provokative Art mit der heutigen globalen Kultur und den sozial-politischen und feministischen Themen der neoliberalen Gesellschaft auseinander.
„Gerade die Malerei gab sich in den letzten Jahren angesichts der neoliberalen Globalisierung und der stetig bewusster werdenden Klimakatastrophe immer wieder als bloß ästhetisches Schmankerl, als, um es in den Worten des Philosophen Theodor W. Adorno zu sagen, “Fetisch und müßige Spielerei solcher, welche die drohende Sintflut gern verschliefen”. Die Malerei von Anna Meyer hat da noch nie mitgespielt, vielmehr gehen bei ihr gesellschaftskritische Reflexion, visuelle Bild- und Themenfindung sowie deren formale Umsetzung stets Hand in Hand“. Aus: Raimer Stange „Nostalgia for an age yet to come“.
Die aktuellen Zeichnungen in der Ausstellung sind in der ersten Phase des Corona-Lockdowns März 2020 entstanden und stellen so wieder einen ganz aktuellen Zeitbezug her.
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Josef Bauer | Hertha Hurnaus | Fritz Panzer | Sofie Thorsen
JOSEF BAUER
1934 geboren in Wels (A), Lebt und arbeitet in Linz und Gunskirchen, (A).
Einige Künstlerinnen und Künstler, unter ihnen Josef Bauer, widmeten sich seit den 1950er Jahren der Sprache, um in der Plastik neue Wege zu gehen. Bauer war so wie viele seiner Zeitgenossinnen und Zeitgenossen auf der Suche nach einer künstlerischen Sprache, die es ermöglichte, die Welt erneut zu „fassen“. Eine Welt, die mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor riesigen Umbrüchen und Neuerungen stand. Eine Welt in der „Krise“ stellt vor allem Künstlerinnen und Künstler vor große Herausforderungen und vor die Frage, welche Geschichten sich noch erzählen lassen, wenn die erlebten Geschichten schon jede Vorstellung übersteigen. Eine Welt, die aus den Fugen geraten ist, muss gekittet oder besser auf einer anderen Ebene erzählt werden.
Bauers Werk ist von den medientheoretischen und Informationstheoretischen Diskursen der 60er geprägt. “Anfang der sechziger Jahre interessierte mich der Körper im Raum und ich thematisierte den Bereich zwischen Körper und Umgebung.” Josef Bauer.
Als Bauer sich auf den Weg machte, sich die Welt auf einer neuen, abstrakten Ebene anzueignen, wurde ihm bei der Ausformulierung seiner „Bild-Sprachen“ die Schrift immer wichtiger. Aus: Harald Krejci „Explorations, 2019
HERTHA HURNAUS
1951 geboren in Linz (A). Lebt und arbeitet in Wien (A).
Die Fotografien von Hertha Hurnaus sind dem Werk des slowakischen Architekten Vladimir Dedeček gewidmet, das zwischen 1960 und der Wende im Jahr 1989 entstand. Doch die Bilder sind weniger dokumentarisch, als vielmehr eine Hommage an eine Epoche des Aufbruchs in der Architektur. Durch die Konzentration auf Innenräume und Details lassen sich die fotografierten Bauten nur für Kenner unterscheiden. Was sie alle miteinander verbindet, tritt in den Vordergrund: Farbkompositionen, die an abstrakte Kunstwerke erinnern. Kaum eine Autostunde von Wien entfernt, entstanden Bauten, die auf heutige Beobachter eher wie Raumschiffe wirken, die geradewegs aus einer optimistischen Zukunft gelandet zu sein scheinen. Aus: Oliver Elser „Hertha Hurnaus“, 2015
FRITZ PANZER
1945 geboren in Judenburg (A). Lebt und arbeitet in Wien, (A).
Laut Wikipedia wurde die Technik erstmals vor 2000 Jahren in China angewandt. Zur Herstellung eines Druckrahmens bespannte man einen Holzrahmen mit menschlichem Haar und befestigte darauf eine Schablone aus Blättern. So entstand möglicherweise das erste Siebdruckbild.
Die Farbe durch ein Gewebe auftragen. So würde ich die Maltechnik zu diesen Bildern beschreiben, eben um nicht Siebdruck zu sagen. Siebdruck deshalb nicht, weil es mir hier nie um Vervielfältigung ging. Diese Arbeiten sind Unikate.
Der flächige Auftrag von Farbschichten lässt sich mit der Siebdrucktechnik gut machen. Hier allerdings auf einfachste Weise: ein Vorhangstoff meiner Mutter diente als Gewebe, aufgespannt auf einem Holzrahmen, die Schablonen aus Zeitungspapier, die Farbpigmente wurden mit Hautleim angerührt. Fritz Panzer.
SOFIE THORSEN
1971 geboren in Aarhus (D). Lebt und arbeitet in Wien, (A).
Die eingravierten Zeichnungen beziehen sich auf die Farbe und die Form des Steins. Der dünne Strich legt sich in den Vordergrund, dadurch bekommt die Oberfläche des Steins eine Räumlichkeit, die vorher so stark nicht wahrnehmbar war.
Die Steine selbst sind zufällige Fundstücke aus Resten von Steinmetz- und Bauarbeiten. Fragmente von einem Ganzen, das nie mehr zusammenkommen wird.
Die Ausstellung in der Pinakothek der Moderne, München fand im Zusammenhang des hundertsten Jahrestags zur Bauhaus Gründung statt. Als eine von fünf Gegenwarts-Künstlerinnen wurde Sofie Thorsen eingeladen, sich mit Bauhaus-Arbeiten aus der Museumssammlung auseinanderzusetzen.
Ihre Bauelemente, großformatige rohe Drahtmodelle, beziehen sich auf 8 kleine Objekte des Künstlers und Architekten Herrmann Finsterlin, die Didyms, wobei Didym für Zwilling oder Double steht. Zum Teil Spielzeug, zum Teil geometrisches Model, zum Teil Prototyp verweigern sich diese farbenfrohen Kombinationen einfacher Formen jeder klaren Definition, sie könnten aber als Prototyp eines Baukasten-Spieles gemeint gewesen sein.
Die Arbeit Schlagschatten (Drehbuch oder Partitur) bezieht sich auf Architektur-Skizzen aus den 1960er Jahren, die Vladimir Dedeček zum Bau der slowakischen National Galerie in Bratislava angefertigt hat. Der Rhythmus der Zeichnungen beruft sich Dedečeks Fassadengestaltung in zwei unterschiedlichen Bauabschnitten. Schlagschatten der Architektur ergeben die rhythmische Abfolge schwarzer Formen. Wir zeigen Vorarbeiten. Die gesamte Partitur ist zu groß, um auf einen Blick gesehen zu werden. Sofie Thorsen.
Elisa Alberti | Michael Bauch | Theresa Eipeldauer | Sebastian Koch | Fritz Panzer
ELISA ALBERTI
1992 geboren in Kiel (D), aufgewachsen in Bruneck (IT). Lebt und arbeitet in Wien, (A).
Meine Malerei ist die Vermittlung eines Zustandes“, sagt Elisa Alberti.Die Bilder der Wiener Künstlerin mit deutschen und italienischen Wurzeln bestimmen einfache geometrische Formen und sanfte, monochrome Flächen. Innerhalb weniger Jahre ist es Alberti gelungen, eine unverkennbare Bildsprache zu entwickeln. Das reduzierte Formenvokabular und der stimmige Farbklang, die geschwungenen Flächen und weichen Rundungen sind stringent ausgeführt und von einer konsequenten malerischen Grundhaltung geprägt. Umgesetzt sind die Arbeiten in Acryl und Lack auf Leinwand oder Holz als Bildträger; neben großen, finden sich auch seriell anmutende, kleine Formate. Immer wieder gestaltet Alberti auch raumgreifende Installationen, um experimentierfreudig wie selbstbewusst Fläche und Raum, Zwei- und Dreidimensionalität zueinander in Dialog zu setzen. Die spezifische geometrische Anordnung von Farbflächen und die daraus resultierende Ästhetik lässt natürlich an Werke der konkreten Kunst denken, einer Strömung, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Chance eines künstlerischen Neuanfangs wagt. Konstruktive, konkrete Künstler*innen lehnen die figurativen Tendenzen des österreichischen Expressionismus ab und folgen einem Kunstbegriff, der auf Linien, Flächen und Farben basiert und meist ein klares geometrisches Prinzip vertritt. Marc Adrian, Richard Kriesche oder Helga Philipp rücken die Frage nach einer neuen Rolle des Betrachtenden und seiner Wahrnehmung in den Mittelpunkt und untersuchen die Beschaffenheiten von künstlerischen Oberflächen und Strukturen. In der „Neo Geo“-Bewegung („Neue Geometrie“) der 1980er Jahre werden diese Fragen, etwa von Dora Maurer und Gerwald Rockenschaub, wieder aufgegriffen. Die Neo-Geos setzen der wilden, schnellen und figurativen Malerei der „Jungen Wilden“ bewusst streng geometri- sche Formen in farbigen Farbfeldern entgegen. Gleichzeitig zeigt sich, dass das gemeinsame Interesse an neuen gestalterischen Elementen in der Geometrie, in der Raumerfahrung, in deren Wahrnehmung zu ganz unterschiedlichen künstlerischen Strategien führen kann.
Aus: Günther Oberhollenzer „Elisa Alberti. Von der Möglichkeit der einfachen Form“, 2021.
MICHAEL BAUCH
1951 geboren in Hamburg (D). Lebt und arbeitet in Hamburg (D).
Michael Bauchs Malereien bezeichnen einen Vorgang zur Form. Seine Bilder sind Konzentrationen einer Praxis mit dem Material, hier mit Leinwand, Grundierung und Farbe, an der Bauch sein Verständnis des Malerischen seit Mitte der 1980er verschärft. Und wie auch immer objekthaft seine Arbeiten ihren BetrachterInnen gegenübertreten, die Spezifik die hier gesucht wird ist eine Malerische. Und doch ist Bauchs Prinzip nicht das der Komposition, sondern das der Aktion, einer praktischen Annäherung an die Leinwand, die sie in ersten Arbeitsschritten mit scheinbar zufälligen, sich wiederholenden zeichnerischen Bewegungen umreißt, um in ihnen Formen aufzufinden, auszuarbeiten und zu klären. Die intensive Farbigkeit die Bauch im Verlauf dieser Ausarbeitung seinen Bildern gibt bezeichnet hierbei einen weiteren Differenzierungsschritt in diesem fortschreitenden Prozess der Materialisierung.
Die Geschichte in Bauchs Malereien ist kein connaisseurhafter Referentialismus, eher schon ein Abdruck der Historie des Sehens. Hier sind es Anmutungen der 1950er ebenso wie der 80er, Formen des Abstrakten Expressionismus oder der frühen britischen Pop Art, die hier ohne gestische Monumentalität oder informelle Tragik zurückkehren. Man beginnt sich zu fragen, ob auch das Jetzt eine eigene Farbigkeit und Form besitzt, ob sie vielleicht in eben diesen Überschneidungen der Zeiten liegt, aus deren fortlaufender Wiederholung, Aktualisierung und Verschiebung sich die Gegenwartskunst zusammensetzt – oder ob sie erst in Retrospekt sichtbar in den Vordergrund treten wird, herausgearbeitet, wie hier, in Bauchs malerischer Arbeit am Material, in einer Art offenen Kunstgeschichte des malerischen Blicks. Bauch malt das Malen als eine künstlerische Arbeit am Material.
Aus: Pressetext zur Ausstellung, Kobath Wien, 2012.
THERESA EIPELDAUER
1985 geboren in Wien (A). Lebt und arbeitet in Wien, A.
Eipeldauer hat über ihr Lithographiestudium in Paris eine langjährige Auseinandersetzung mit Druckgrafik begonnen. Die heutigen Werke entstehen aus der Zeichnung: Scribbles aus Prozessen der Écriture Automatique werden einem digitalen Prozess des Scannens und Glitchens ausgesetzt, und am Computer gefiltert, transformiert und kompositorisch in Beziehung gesetzt. Eine erneute Auswahl davon wird durch Siebdruck auf zuvor bemalte Leinwände angebracht. Durch den manuellen Anstrich des Grundes nähert sich Eipeldauer klassischen Malereivorstellungen, die sie allerdings durch die darauffolgende Verneinung des Pinsels eher umleitet als berührt: der Pigmentauftrag geschieht indirekt, über Sieb und Rakel.
Eipeldauer bietet einen poetischen Umgang mit Visualitäten: sie baut Spannungen (“Vibrationen”) auf, indem sie formale Eigenschaften abtastet, variiert und gegenüberstellt. Sie fokussiert und multipliziert die Linie, wodurch Dreidimensionalität suggeriert wird. Überlappungen bringen Teile des Bildes zum Flimmern; Kontraste und Wiederholungen dienen zur Kreierung von Räumen oder Objekten. Die Werke nutzen häufig die Visualität von Schrift, von Sprache. Typografische Schwingungen bauen Gebilde und Unräume, die sprachlich nicht stattfinden könnten. Letztlich führt das formale Spiel zu visueller Ambivalenz, zu Andeutungen und offenen Interpretierbarkeiten.
Für Eipeldauer bedeutet Bildkomposition vor allem das Arrangieren von Vorfällen (“arrangement of incidents”, dessen Akronym der Ausstellungstitel ist). Zweifel sind hierbei Antrieb der künstlerischen Auseinandersetzung, deren Entscheidungen sowohl emotional als auch formal getroffen werden: Platzierung des Drucks, Wahl der Trägerfläche, der Grundierungsschichten und Pigmente. Farbeigenschaften. So erarbeitet sich Eipeldauer eine Materialsensibilität, die das ursprüngliche Wesen von Malerei berührt: Was ist Malerei. Und was ist sie für mich?
Aus: Christian Bazant-Hegemark, „Theresa Eipeldauer, A /O /I, Krobath Wien, 2018.
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