Curated by_2024 “Untold Narratives”
Ugo Rondinone über David Deutsch
EIN PALAST OHNE DACH
Die Hauptkräfte der Gemälde von David Deutsch sind Einschränkung, Einsamkeit und Zerfall. Themen, die den Existentialismus in den Werken von Samuel Beckett, Alberto Giacometti und Francis Bacon widerspiegeln. Alle vier Künstler beschäftigen sich mit der Definition der Grenzen zwischen einer Performance eines Theaterstücks, einer Skulptur oder eines Gemäldes und einer rein visuellen Darstellung.
Diese Themen bilden die Affinitäten zwischen den vier Künstlern, die ihre Werke auf drastisch unterschiedliche Weise schufen, aber auffallend ähnliche Bedenken hinsichtlich der Grenzen der Darstellung und des inhärenten Versagens der Kunst, transzendente Bedeutung zu schaffen, teilen. Sie verkörpern auch ästhetische und theoretische Affinitäten, die alle vier Künstler teilen: die Fragilität der menschlichen Existenz. Körper sind keine Garantie mehr für eine gewisse Konsistenz subjektiver Erfahrung; sie sind stattdessen genauso instabil wie das Bewusstsein selbst.
Wie Beckett, Giacometti und Bacon lenkt David Deutsch die Aufmerksamkeit auf die wiederholte Verwendung von Käfigen, um den Status von Körpern im Raum zu überdenken. Deutsch beschäftigt sich mit diesen Fragen und der Verwendung von Käfigen in seinen Gemälden, in Form eines Gitternetzes, eines Hauses, eines Autos oder wie in seinen neuesten Gemälden für die Ausstellung in der Galerie Krobath in Form einer Opernbühne. Diese Käfige rahmen die Bühne ein – ein Rahmen, der in der Darstellung nicht verschwindet, sondern sich von ihr abhebt und die Aufmerksamkeit auf die Grenzen dieser Darstellung lenkt.
Dieser Punkt ist besonders interessant, weil für Beckett, Giacometti und Bacon, wie auch für David Deutsch, die Möglichkeit der existenziellen Freiheit oder eines Subjekts, das sich frei entscheidet, in einer bedeutungslosen Welt Bedeutung zu schaffen, verschwunden ist. Angesichts dieser Unmöglichkeit, Bedeutung zu schaffen, ist das Spiel eine praktikable Alternative – die Inszenierung von Bedeutung, die die Materialität selbst nutzt, um die Aufmerksamkeit auf ihre eigene Performance zu lenken. Die Bühne ist für David Deutsch die Fläche einer Leinwand; sie ist der Boden und ihre eigene Grenze für seine performativen Gemälde, die sich von Wiederholung und Geschwindigkeit ernähren. Der allgegenwärtige Rahmen oder Käfig, in dem eine oder zwei oder sogar drei Figuren stehen, könnte als Symbol sozialer Unterdrückung und der Unmöglichkeit wahrgenommen werden, zu kommunizieren und unserem Leben einen Sinn zu geben. Diese Form führt dazu, dass Deutsch die Empfindungen eines Gemäldes, den Rhythmus seiner Pinselstriche und die Idee, dass ein Gemälde unsere dunkelsten, ungehemmtesten Triebe vermitteln könnte, mit grosser Aufmerksamkeit betrachtet.
Das vielleicht berühmteste Kunstwerk, das wir mit David Deutsch‘s Beschäftigung in Verbindung bringen können, ist Giacomettis Skulptur „The Place at 4am“, die sich im Besitz des Museum of Modern Art in New York befindet. Giacometti arbeitete im Sommer 1932 daran. Jede Nacht baute er einen Palast aus Holzstücken in der Größe von dünnen Essstäbchen und ließ ihn am Ende der Nacht einstürzen, um ihn in der folgenden Nacht wieder aufzubauen. Im Herbst wusste er, welche Form dieser Palast haben sollte, und begann, die endgültige Version davon in einer einzigen Nacht auszuführen. Der „Palast“, der ihm schließlich gelang, hatte kein Dach und keine Wände. Wie der Traum von Transparenz, den die Architekten der Moderne verfolgten, kann man in dieser Skulptur fast die gesamte Karriere von Francis Bacon erkennen.
Die Verbindung zwischen Giacomettis Skulpturen und Deutschs Bilder ermöglicht es uns, die Hauptthemen anzugehen, die sie zusammenbringen: die Bedeutung des kreativen Prozesses zwischen Wiederholung und Enttäuschung, ihr gemeinsames Interesse an einem Körper, der sowohl Medium als auch Zwang ist, die Bedeutung der Szenografie, die Verlagerung von Körper und Sprache, Einsamkeit und ein Gefühl des Absurden. Giacometti und Deutsch bringen, wie Bacon und Beckett, psychologische Aspekte sowohl der menschlichen Verfassung als auch der Gemütszustände zum Ausdruck. Ihre Figuren, im Fall von David Deutsch am Rande der Abstraktion, sind Darstellungen oder vielmehr Ausdruck eines kompromisslosen Interesses an Melancholie, Sexualität, Exzess und die Relevanz der Malerei von heute.
Ugo Rondinone
ELISA ALBERTI
Monochrome Farbflächen und geometrische Konfigurationen—Elisa Albertis Oeuvre ist bekannt für ihre präzise Formensprache, innerhalb derer präzise Ausführungen minimalistischer Elemente auf akribisch ausgeführte malerische Techniken treffen. In ihrer aktuellen Ausstellung „Transcending Forms“ in der Galerie Krobath, Wien, reflektiert die Künstlerin das eigene Formenvokabular und widmet sich der Erweiterung und Verfeinerung dessen. So entsteht eine Kontemplation der Oberflächenstruktur der Leinwand und eine erste Entwicklung zu Skulptur und Objekt beginnt.
Inspiriert von der Neo-Geo-Bewegung der 1980er Jahre, mit bekannten Vertreter*innen wie Gerwald Rockenschaub, legt Alberti in ihrem Werk den Fokus auf die Essenz der Abstraktion durch eine kontinuierliche Reduktion und meidet die eigene Arbeit durch ein Narrativ zu erklären. Ein klar definiertes Spektrum von Farbe und Symbolik entsteht—ursprünglich fußend in der künstlerischen Erforschung figurativer Motive, wie etwa in organisch-pflanzlichen Formen in Verbindung mit abstrakten Formen. Im Laufe der Zeit hat Alberti diese Motive systematisch abgeschwächt, sie bis zur Grenze der Abstraktion vorangetrieben, bis ihre Verbindung zum Fassbaren vollständig aufgelöst war—ein Formenvokabular, das den/die Betrachter*in dazu anregt, über das Potenzial von minimalen Abweichungen und subtilen Verschiebungen nachzudenken, um neue Konfigurationen, Farbarrangements und interessante Layouts zu gewinnen.
Innerhalb von “Transcending Forms” führt die Künstlerin erneut chromatische Experimente ein, insbesondere mit Kobaltblau, mit dem sie bei zwei Werken innerhalb der Ausstellung gearbeitet hat. Gerade in diesen Kompositionen treten die feinen Nuancen und subtilen Unterschiede der Farbflächen deutlich hervor. Die Leinwand durchdringt intermittierend, enthüllt ein Zusammenspiel von Helligkeit, Schatten und tonalen Kontrasten. Darüber hinaus sticht eine Serie von Arbeiten auf Naturleinen heraus, die die bewusste Entscheidung der Künstlerin zeigen, Bereiche und Formen offen zu lassen. Dieser Ansatz ermöglicht es der Textur der Leinwand, subtil zum Vorschein zu kommen und führt zu einer feinen Komposition von Farbe.
Innerhalb der Ausstellung führt Alberti erstmals ein skulpturales Element ein. Im rechten Teil der Galerie positioniert, lädt ein Objekt aus gebürstetem Aluminium, das in der charakteristischen formalen Sprache der Künstlerin ausgearbeitet ist, die Betrachter*innen dazu ein, sich eingehend mit seiner Form auseinanderzusetzen. Frei von einem traditionellen Sockel, integriert sich die Skulptur nahtlos in den Galerieraum und lädt die Besucher*innen dazu ein, sich durch ihre multidimensionale Präsenz in Albertis formales Vokabular zu vertiefen.
“Transcending Forms” dient als introspektive Reflexion von Albertis eigener künstlerischer Praxis. Die Ausstellung beinhaltet eine bewusste Wiederbeschäftigung mit zuvor erkundeten Elementen, während die Künstlerin danach strebt, deren verborgenes Potenzial auf neue Weise zu nutzen und somit neue Konfigurationen geometrischer Formen, Farbarrangements und dreidimensionaler Werke zu schaffen.
Text: Livia Klein
Sophia Süßmilch
Verehrte Sophia: Also sehe ich dein live laugh love die cry hate und wahrlich ich sage dir: Das elaboriert antiquierte Beidltum Österreichs bedenkt die neuen Farben und erkennt die besonderen Sujets und ordnet ein, was einzuordnen im typischen Beidltum von Österreich ganz gelernt und studiert zu erkennen, was oberflächlich zu erkennen ist sich in Wissen von den Wissenswapplern ganz und gar. Denn solches sieht mit Augen vom Arsche her und sieht, wie ein Arsch sieht. Das ist normal in Österreich. Nun wahrlich aber ich sage dir, dass sie damit nicht eingehen unter dein Dach da in Würde und mit Wahrheit. Denn in Wahrheit ist es so:
Her als definitiv
Heiliges zu sagen du willst
Heiliges sehr so sehr dass
Heiliges du bist es auch ganz
Heiliges so drin in der vollends
Heiligeswesensart auf alles
Heiliges durch Mark und Bein in
Heiliges, dass du dich fragen magst
Heiliges derart in Gewinn wo
Heiliges ist in dir zu dir wirr
Heiliges von den Freuden her sehr
Heiligesdrin dassd dich anzuspeiben
Heiligesdrin dassd dich anzuscheißen
Heiliges willst nicht und nie da
Heiliges geben noch nehmen zu
Heiliges zu sehr da in der tu
Heiliges an mir jetzt und ich sehe
Heiliges in und an dem Sein rein
Heiliges wo noch keines ist da:
Her als definitiv Heiliges zu sagen du willst Heiliges sehr so sehr dass Heiliges du bist es auch ganz Heiliges so drin in der vollends Heiligeswesensart auf alles Heiliges durch Mark und Bein in Heiliges, dass du dich fragen magst Heiliges derart in Gewinn wo Heiliges ist in dir zu dir wirr Heiliges von den Freuden her sehr Heiligesdrin dassd dich anzuspeiben Heiligesdrin dassd dich anzuscheißen Heiliges willst nicht und nie da Heiliges geben noch nehmen zu Heiliges zu sehr da in der tu Heiliges an mir jetzt und ich sehe Heiliges in und an dem Sein rein Heiliges wo noch keines ist da:
Her als definitiv
Sophia Süßmilch zu sagen du willst
Sophia Süßmilch sehr so sehr dass
Sophia Süßmilch du bist es auch ganz
Sophia Süßmilch so drin in der vollends
Sophia Süßmilchwesensart auf alles
Sophia Süßmilch durch Mark und Bein in
Sophia Süßmilch, dass du dich fragen magst
Sophia Süßmilch derart in Gewinn wo
Sophia Süßmilch ist in dir zu dir wirr
Sophia Süßmilch von den Freuden her sehr
Sophia Süßmilchdrin dassd dich anzuspeiben
Sophia Süßmilchdrin dassd dich anzuscheißen
Sophia Süßmilch willst nicht und nie da
Sophia Süßmilch geben noch nehmen zu
Sophia Süßmilch zu sehr da in der tu
Sophia Süßmilch an mir jetzt und ich sehe
Sophia Süßmilch in und an dem Sein rein
Sophia Süßmilch wo noch keine ist da:
Her als definitiv Sophia Süßmilch zu sagen du willst Sophia Süßmilch sehr so sehr dass Sophia Süßmilch du bist es auch ganz Sophia Süßmilch so drin in der vollends Sophia Süßmilchwesensart auf alles Sophia Süßmilch durch Mark und Bein in Sophia Süßmilch, dass du dich fragen magst Sophia Süßmilch derart in Gewinn wo Sophia Süßmilch ist in dir zu dir wirr Sophia Süßmilch von den Freuden her sehr Sophia Süßmilchdrin dassd dich anzuspeiben Sophia Süßmilchdrin dassd dich anzuscheißen Sophia Süßmilch willst nicht und nie da Sophia Süßmilch geben noch nehmen zu Sophia Süßmilch zu sehr da in der tu Sophia Süßmilch an mir jetzt und ich sehe Sophia Süßmilch in und an dem Sein rein Sophia Süßmilch wo noch keine ist da.
Text: Lydia Haider zu Sophia Süßmilchs live laugh love die cry hate.
Julian Opie
Letzten Sommer sind wir in der Stadt festgesessen, und da fiel mir auf, wie es sich die Leute überall in den Londoner Parks bequem gemacht haben. Ihre Körper nahmen unterschiedlichste Positionen ein und wirkten dabei gleichzeitig recht plastisch und doch sehr menschlich. Jedes Grüppchen wirkte auf seiner Weise sehr klassisch, und das erinnerte mich an Manets berühmtes Bild. Unsere Körper und Gliedmaßen, die Schwerkraft und das Gleichgewicht, all das lässt nur eine begrenzte Anzahl an Positionen zu, in denen wir uns entspannen und gleichzeitig miteinander interagieren können. Ich tat so, als würde ich eine SMS schreiben und fotografierte dabei heimlich diese Grüppchen mit meinem Handy.
Dann lud ich meine Tochter und drei ihrer Freunde in mein Studio ein und bat sie, verschiedene legere Outfits mitzubringen. Ich bat sie dann die Positionen nachzustellen, die ich in den Parks gesehen hatte. Mein Assistent und ich haben sie von allen Seiten fotografiert, und ich versuchte sie dann mit einfachen Linien nachzuzeichnen, als wären sie Möbelstücke.
Wie sich herausstellte, war das nicht so einfach. Ich bin es gewohnt, Fotos als eindimensionale Bilder nachzuzeichnen, aber diesmal war es anders. Wir luden die Modelle nochmals ins Studio ein und scannten ihre Körper mit einer iPhone-App. Das funktionierte besser, da die App die Verzerrungen der Fotografie vermeidet und viel mehr Information wiedergibt. Trotzdem war es schwierig, und ich musste mehrmals meine AssistentInnen bitten, meine Zeichnungen in 3D-Computermodelle umzuwandeln, die ich dann im Raum drehen und positionieren konnte. Jedes der vier Modelle nahm in seinen verschiedenen Outfits die verschiedenen Posen ein, die ich im Park beobachtet hatte, und so entstanden nach und nach rund 24 Figuren. Ich wollte diese Figuren dann in unterschiedlichen Posen wie bei einem Picknick in Gruppen arrangieren.
Ich stellte diese Statuen in eine virtuelle Galerie und verwendete VR-Brillen, um zu ihnen in den Raum zu treten. Mit dem Programm konnte ich alle 24 Figuren sehen und sie in Vierergruppen zusammenstellen. Bisher waren meine Statuen immer flach, wie ausgeschnittene Zeichnungen. D.h. ich konnte sie aus flachen Materialien wie Sperrholz-, Bronze- und Aluminiumplatten ausschneiden oder, wie zuletzt, sie ausgehend von geraden Linien aus Stahlträgern und Holzbalken bauen. Aber rechtwinkelig geschnittene Materialien funktionierten nicht bei diesen in verschiedene Richtungen gebogenen neuen Figuren. Es ist schwer zu erklären, aber man kann ein eckiges Rohr nur in eine Richtung schneiden und abwinkeln, sodass man eine bündige spitze Ecke bekommt. Sobald man versucht, da eine Drehung hineinzubringen, ist die Ecke nicht mehr bündig. Die einzige Lösung war, runde Rohre zu verwenden, die man schön sauber in alle Richtungen abwinkeln kann. Das war eine Erleuchtung für mich. Und plötzlich sah ich überall runde Rohre: Als glänzend schwarz lackierten Handlauf bei den Stiegen runter zur U-Bahn. Als glänzend weiß lackierte Absperrung in einem Fußballstadion oder als Edelstahl-Ringe am Gehsteig, an denen man das Fahrrad anhängen kann. Mit der Technik der runden Rohre war fast jeder Winkel möglich, und somit konnte ich auch Kurven darstellen.
Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit Holzstatuten aus Indonesien aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Diese wurden von austronesischen Volksstämmen in Borneo und Sulawesi sowie Vietnam und Sumba hergestellt. Diese Figuren sind alle sehr frontal, wobei mir bei manchen aufgefallen ist, dass die Knie gebeugt waren. Ich fand dann auch Figuren, deren Körper in der Hockerstellung waren. Das brachte mich auf die Idee, mit meiner seit Jahren verfolgten Arbeit mit flachen Materialen zu brechen. Ich beobachtete jetzt die Leute um mich mit anderen Augen und merkte, dass ihre Körperhaltung und Gliedmaßen andere Möglichkeiten eröffneten und komplexe flächige Faltungen zulassen. Auf dem Flughafen sah ich Menschen, die sich stehend oder hockend an die Wand lehnten. Und das brachte mich auf die Idee, alternativ zu den anderen Figuren eine Gruppe von Figuren zu entwerfen, wo sowohl der Boden als auch die Wand als Stütze für die Figuren zum Einsatz kommen.
Normalerweise stellt ein Künstler seine Gemälde oder Skulpturen in einer Galerie aus, wo sie von Besucherinnen und Besucher besichtigt werden, die sich ebenfalls im künstlerischen Raum befinden, aber in einem anderen, parallelen Sinn. Ich wollte den Raum mit Darstellungen von den BesucherInnen selbst vollstellen. Ich habe vor, die Galerie so mit Figuren zu bevölkern, als wäre sie ein öffentlicher Park oder ein Warteraum.
Text: Julian Opie
Eröffnung: 11 Juni 2022
Ausstellungsdauer: 11 Juni – 31 August 2022
Sophia Süßmilch
Sophia Süßmilch und die Ausstellung des Kleinen Mannes (Selbstbildnis mit Krokodil)
Pain, oida. So einen Pain wie diese Sophia Süßmilch in ihrem Kopf musst du erst mal haben.
Aber macht nix, wir verrotten ja alle irgendwie. Im Kapitalismus, und da ist ja der Kunstmarkt das Allerärgste, da muss funktionieren, muss muss muss, tack tack tack.
Und als Künstlerin, da musst du ja überhaupt die Allerbeste sein, etwas ganz Besonderes, hervorstechen aus der grauen Masse der Individualistensäue.
Da entsteht ein Druck, schon wenn du früh morgens die Äuglein aufmachst müssen dir die genialsten Gedanken kommen, wenn du dich mal fünf Minuten zu Ruh legen willst, dann ham sie dich schon alle überholt.
Ganz gewiss nicht darfst du es machen wie der kleine Mann: ein Leben führen. Bestehend aus vielen Teilen, die sich alle unterscheiden und abwechseln, bis das Leben wieder vorbei ist, alles normal.
Das Leben war vorbei in dem Moment als sie die Mappe für die Kunstakademie abgegeben hat.
Bäm Bäm Bäm, Süßmilch, komm hau die Brüste raus, ist dieses painting schon verkauft.
Der Pressure sitzt, jetzt wo die Frau bald 40 ist, fest in ihrem Schädel.
Denn auch wenn Sie ein Göttin sein möchte, sie ist doch nur ein Menschlein mit ihrem kaputten Schädel, der Ideen spucken muss.
Da fetzen die Bilder da faucht die Muschi, es rauschen die Nerven, noch spürt das Herz.
Der Glaube sitzt da in ihrem Herzen, dass geboren zum Genie sie nicht ist, dennoch, vielleicht, wenn Sie sich ganz ganz arg anstrengt, dann.
Hätte man sie doch nur einmal zur Klassensprecherin gewählt in ihrer Kleinstadt, es wäre die ganze Nummer mit Künstlerin pi pa po erspart geblieben.
Das Leben ist Leiden, ist Schädlweh: sitzt da festgebissen wie ein Krokodil das zu faul und zu blöd zum Laufen ist. Mappe abgegeben, Festgeschnappt. Hat es sich und sitzt seitdem dort.
Kennt ihr es schon? Kennt ihr es auch? In meinem Schmerz, da möchte ich nicht alleine sein.
Nicht musst du alleine sein, Sophia Süßmilch, weil ich bin du und du bist ich, ach sind wir nicht alle nur der Kleine Mann. Nur so ein Gedanke, Süßmilch, mitten im Schmerz, da sitzt er doch, der Gedanke „Kleiner Mann“ , der ist bei dir und ihr seid ohne Einsamkeit. Es ist der Gedanke, der zählt.
Sei Göttin, sei gut und normal, sagt er.
Das ist schön
Wir sind jetzt hier, Krokodil, Mann und ich.
Und im Pain
Da muss man nicht alleine sein.
Da teilen wir auf, weil gemeinsam ist man stark.
Kapitalismus freut sich auch, weil Arbeitsteilung Optimierung ist.
Der erste Gedanke des Tages muss stets sein:
Je suis moi, je suis toi, je suis Der kleine Mann.
Text: Sophia Süssmilch
PERFORMANCE:
“Lustiges Ostereier suchen”
mit Sophia Süßmilch und ihrer Mama
mit Felix Burger und Vito Baumüller
14. April 2022, 19 Uhr
Sofie Thorsen
Scherben
Datenrausch und globale Echtzeit-Kommunikation haben eine neue Form der medialen „Eigenzeit“ geschaffen. Die Möglichkeit, ununterbrochen über digitale Netzwerke mit allen verbunden zu sein, hat die Hoffnung zunichte gemacht, die Kontrolle über die Zeit behalten zu können. Die Vergangenheit schrumpft zusammen, die Zukunft entzieht sich der Steuerung. Das Gefühl von Zeitlosigkeit gepaart von dem der eigenen Vulnerabilität in einer aus den Fugen geratenen Welt ist kein Phänomen unserer von Pandemie, gesellschaftlichen Verwerfungen und Klimakrise beherrschten Gegenwart. Die Wiener Soziologin Helga Novotny hatte sich schon 1989 in ihrem Buch „Eigenzeit“ (1) mit der Frage beschäftigt, wie sich die Veränderungen in der Gesellschaft auf das Zeitgefühl auswirken. Das Empfinden über den Verlust von Zeit rückt gleichzeitig die Frage nach der eigenen Existenz und die Angst vor dem spurlosen Verschwinden in den Mittelpunkt, kurz die Frage, was und warum etwas von uns bleibt.
Die seit den späten 1990er Jahren in Wien lebende dänische Künstlerin Sofie Thorsen setzt sich seit Jahren in reduzierten Zeichnungen, Collagen und Skulpturen mit der Rolle von Archiven, Depots, historischen Bildmaterialien und archäologischen Sammlungen als Speicherorte unseres kulturellen wie soziopolitischen Gedächtnisses auseinander. Dabei sind es gerade die Lücken, die Fehlstellen, das, was aus dem gegenwärtigen kollektiven Erinnern oder dem sichtbaren Umfeld verschwunden ist, auf das die Künstlerin ihre Aufmerksamkeit lenkt. Denn was, wie gesammelt, archiviert, erforscht oder vernichtet wird, ist immer auch Spiegel einer bestimmten ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Situation.
Grundlage für Sofie Thorsens großformatigen Schwarzweiß-Frottagen und Wandobjekte in ihrer aktuellen Ausstellung in der Galerie Krobath ist die archäologische Sammlung des Stadtmuseums Odense in Dänemark. Sie durchforschte die digitale Datenbank von prähistorischen Gefäßscherben, Steinwerkzeugen, Bronzeobjekten und Schmuckstücken, die akribisch vermessen, nummeriert und fotografiert wurden bevor sie wieder in das Depot verschwanden. Thorsen entzieht die Objekte gleichsam dem Vergessen, indem sie die Vorlagen vergrößert ausdruckt, vervielfältigt, entlang der Umrisse ausschneidet und zu Collagen zusammensetzt. Die so entstehende reliefartige Oberflächenstruktur erlaubt es der Künstlerin, die Brüche und Kanten der Objekte durch Abreiben auf die Papierbahnen zu übertragen. Indem sie die collagierten Teile stets neu zusammensetzt, gegeneinander verschiebt oder spiegelt, schafft sie ein abstrakt-figuratives Formengefüge, das sich gegenseitig durchdringt und trotz der Reduktion auf die Umrisslinien der Objekte an räumlicher Qualität gewinnt. Verdichtete, sich gegenseitig überlagernde Formen wechseln sich mit großzügigen Leerstellen ab und wichtiger als die Wiedererkennbarkeit einzelner Formen sind die Beziehungen untereinander. Neben dem Interesse am Material und dem formalästhetischen Erscheinungsbild der aus dem Archiv gewählten Artefakte ist es stets der bewusste methodologische Nachvollzug von der Anwendung eines bestimmten künstlerischen Mittels, das im Zentrum von Sofie Thorsens Überlegungen steht. Denn die Frage nach den Kriterien, wann, warum und welche künstlerische Methode als Vermittlungsform zur Anwendung kommt, bedingt formale wie inhaltliche Verschiebungen. So lässt sich individuelle wie kollektive Erinnerung mit einer Collage vergleichen. Versatzstücke aus der Vergangenheit werden fragmentiert, gegenüber- und zusammengesetzt und mit Blick auf die gegenwärtigen sozialen und kulturellen Verhältnisse kontextualisiert. Bedeutungen entleeren, überlagen und setzen sich bruchstückhaft neu zusammen. Indem Thorsen den konstruktiven Prozess der Collage dem automatisierten Verfahren der Frottage entgegensetzt, schafft sie einerseits Distanz zum Objekt als auch geisterhafte Nähe durch das schemenhaftes Auftauchen von Vergangenem in der Gegenwart. Max Ernst, der in den 1920er Jahren das Potenzial der Frottage für sich neu entdeckt hat, bezeichnete das Verfahren als „ein technisches Mittel, die halluzinatorischen Fähigkeiten des Geistes zu steigern, dass ‚Visionen‘ sich automatisch einstellen, ein Mittel, sich seiner Blindheit zu entledigen.“ (2)
Vielleicht ist es der Wunsch das Vergangene dem Vergessen zu entreißen, der Wunsch, dem Schemenhaften Faktizität und dem Ephemeren Dauerhaftigkeit zu verleihen, der Sofie Thorsen dazu führt, den sich im künstlerischen Prozess der Frottage einstellenden „automatischen Visionen“ wiederum durch kleine gegossene Bildreliefs materielle Präsenz zu verleihen. In der Zusammenschau dieser Ausstellung gelingt ihr ein dialektisches Spiel zwischen Distanz und Nähe, Anwesenheit und Abwesenheit in der unmittelbaren Präsenz des Raumes, ein Abbild einer Gesellschaft, die dabei ist, ihre in Scherben zerbrochene Gegenwart aufzusammeln und für die Zukunft neu zusammenzusetzen.
(1) NOWOTNY, Helga. Eigenzeit. Entstehung und Strukturierung eines Zeitgefühls, Suhrkamp, 1989.
(2) Schamony, Ernst: Max Ernst, Münster, 2009, S. 32.
Text: Fiona Liewehr
Ugo Rondinone
„Man muss ein Kunstwerk fühlen können.“
Ugo Rondinone ist einer der international erfolgreichsten Künstler seiner Generation. Seine Arbeiten bewegen sich innerhalb verschiedener Medien wie Malerei, Skulptur, Film und Installation und beruhen auf einem vielfältigen und facettenreichen System an Bezügen und Querverweisen von der Deutschen Romantik bis zur amerikanischen Land-Art. Im Wesentlichen zeigt sich in seinem Werk der Versuch einer Visualisierung von Zeitlichkeit und des Gegensatzes von Spirituellem und Alltäglichen.
„Kunst zu machen und Künstler zu sein ist eher eine philosophische Aufgabe als eine, die mit der Herstellung von Objekten zu tun hat.“
Ugo Rondinone, der 1964 in Brunnen in der Schweiz geboren wurde, von 1986 bis 1990 an der Universität für angewandte Kunst bei Ernst Caramelle studiert hat und 1998 nach New York gezogen ist, wo er bis heute lebt und arbeitet, ist als Künstler, Poet, Sammler und Kurator tätig. 2007 vertritt er die Schweiz auf der Biennale in Venedig. Heute befinden sich seine Arbeiten in musealen Sammlungen weltweit.
„Ich warte darauf, dass mein Kopf völlig leer wird. Wie ein Raum, den noch nie jemand betreten hat, ein Zimmer ohne Türen oder Fenster. Ein Ort, an dem nichts geschieht.“
Seit über drei Dekaden überschreitet der international renommierte Künstler die Grenzen zwischen Medien und Disziplinen. In hochartifiziellen Installationen, die vielfältige Referenzen auf Kulturgeschichte und Popkultur aufweisen, schafft er suggestive Stimmungen, die das Lebensgefühl unserer Zeit einfangen. „Ein multimedialer Künstler zwischen Konzept und Romantik“, schreibt das Belvedere 21 auf seiner Homepage, „dessen Bildwelten die BetrachterInnen mit einer neuen Wirklichkeit konfrontieren, von der sie unweigerlich Teil werden.“ Akt in der Landschaft im Belvedere 21 (25. 11.2021 – 1.5.2022) ist Rondinones erste museale Einzelausstellung in Österreich. Parallel dazu freuen wir uns ganz besonders, nach 1993, 1998, 2002, 2012 und 2015 seine bereits sechste Einzelausstellung bei Helga Krobath ankündigen zu dürfen.
„Wie ein Tagebuch zeichne ich das lebende Universum auf. Diese Sonne, diese Wolke, dieser Regen, dieser Baum, dieses Tier, diese Jahreszeit, dieser Tag, diese Stunde, dieser Wind, diese Art von Erde, diese Art von Wasser, dieses Geräusch im Gras, diese Windstärke, diese Ruhe.“
Während sich Ugo Rondinone im Belvedere 21 auf Werkgruppen aus den klassischen Genres Akt und Landschaft konzentriert (neben den landscapes, aus Erde geformte Skulpturen, die unter anderem auf die Minimal-Art Bezug nehmen, zeigt die Ausstellung hyperrealistisch gestaltete nudes, introvertiert scheinende nackte Figuren aus Klarwachs und Erde) wurde bei Krobath Wien einen Raumerlebnis geschaffen, das ähnlich meditativ, aber doch ungleich bunter ist und Querverweise zu Romantik, Land-Art und Pop-Art aufweist.
„Kunst geht über die Sprache hinaus. Auch die Poesie. Sie haben Ähnlichkeit. Sie sind langsam. Sie schaffen ihre eigene Zeitlichkeit.“
Die Natur ist ein ebenso wichtiger Bestandteil in der Arbeit von Ugo Rondinone wie das poetische Spiel mit Gegensätzen. Tag und Nacht. Klein und Groß. Drinnen und Draußen. Und über allem liegen Melancholie, Einsamkeit und Stille. Da muss man nicht nur an den lebensgroßen Olivenbaum aus weiß emaillierten Aluminiumguss denken, mit dessen Präsentation das Kunsthistorische Museum 2012 nach langer Renovierung die Wiedereröffnung des Theseustempel im Wiener Volksgarten feierte.
„Ich beschäftige mich mit sehr einfachen Symbolen, mit denen sich jeder identifizieren kann.“
Die aktuelle Ausstellung bei Krobath Wien (04.11.-22.12.2021) – trägt den gleichermaßen poetischen wie bezeichnenden Titel a low sun . golden mountains . fall und verbindet dreizehn Skulpturen aus Rondinones mountain-Werkgruppe mit zwei seiner sun-paintings. Land-Art trifft Pop-Art. Grell bunt bemalte übereinander gestapelte Steine, jeweils miteinander verbunden über eine Konstruktion aus rostfreiem Stahl, werden mit fluoreszierenden Acryl-Airbrush-Kreisen auf runder Leinwand kombiniert, die als Titel den Tag ihrer Fertigstellung tragen und so der Zeitlosigkeit des Werkes ein präzises Datum gegenüberstellen. Das Resultat ist ein einzigartiges Raumerlebnis, ein meditativ-mystischer Ort, der jenseits dieser Tage und doch gleichzeitig mittendrin in unserer Gegenwart ist.
Curated by 2021 “COMEDY”
Vito Baumüller . Julie Bender Herdina . Gabi Blum . Leona Boltes . Felix Burger . Böhler & Orendt . Brad Downey . Anne Duk HeeJordan . Christian Eisenberger . Moritz Frei . Frankfurter Hauptschule . Andrew Gilbert . Veronika Günther . Leon Höllhumer . Claudia Holzinger/Lilly Urbat . Christian Jankowski . Anna Ley . Hoa Luong . Patricia Martsch . Anna McCarthy . Monika Michalko . Jannik Richard . Stefanie Sargnagel . Kristina Schmidt . Sophia Süßmilch . Veli & Amos . Valentin Wagner . Marcel Walldorf . Nouchka Wolf . Thomas Zipp
SPATZI SPEZIAL (Sophia Süßmilch und Valentin Wagner) werden im Rahmen des Galerienfestivals „curated by 2021“ bei Krobath Wien die Ausstellung „Bei Langeweile öfter mal das ABC aufsagen“ kuratieren.
Hier trifft das Festival übergreifende Thema „Comedy“ auf eine künstliche Reihung. Hier werden nicht Themen, zeitliche Abfolgen, Mengen oder Zusammenhänge der Arbeiten zum ausschlaggebenden Kriterium, hier diktiert uns das Alphabet seine künstliche Ordnung endlich vieler Objekte. Alpha und Omega. Auf diese Weise unterwandern SPATZI SPEZIAL gängige Formen des Zurschaustellens wie auch der Rezeption. Sie entziehen sich durch diese Weigerung nur scheinbar einem gewissen Diskurs, geben vor „das Spiel“ nicht mit zu spielen und scheitern kläglich.
Ideengebend ist die Videoarbeit „Bei Langeweile öfter mal das ABC aufsagen“ von Sophia Süßmilch aus dem Jahr 2011. In diesem Video tritt die Künstlerin in einem Bienenkostüm verkleidet in Coney Island, New York vor die Kamera und rezitiert gelangweilt das ABC. Am Ende sagt sie nüchtern „Ja, sonst nicht viel los hier“ und verlässt das Bild.
Schauen wir mal, was bei „Curated by 2021“ so los sein wird. Wenn es fad ist, gehen wir eben alle wieder nach Hause.
Überdies verwandelt sich das Kabinett der Galerie in ein einem Gruselkabinett; die KünstlerInnen versuchen sich an einem Klassiker, dem Genre des Clownsportraits.
Die Arbeiten der teilnehmenden KünstlerInnen changieren zwischen Heiterkeit und Düsternis und lieben den Blick in den Abgrund des Menschlichen. Dafür haben SPATZI SPEZIAL KünstlerInnen ausgewählt, die sie selbst als Inspiration für die eigene Arbeit erfahren haben.
Deren Namen man schon kennt sowie heisse Neuentdeckungen aus dem Umfeld des Künstlerinnenpaares.
PERFORMANCE
Samstag, 04.09.2021 um 17:00 Uhr
“ULK-KULT MIT PATZI UND FELIX: DAS GRENZÜBERSCHREITENDE KULTSTÜCK”
Eine Performance von Patricia Martsch und Felix Maria Zeppenfeld, mit einer Figur von Anna Pelz.
Sebastian Koch
Es liegt ein ganz offensichtlicher ernsthafter Witz in den Bildern Sebastian Kochs, der durch das Ausformulieren der Linie auf der Leinwand zum Ausdruck kommt. Eine gemalte Fläche wird durch eine Linie gestört, die Linie scheint nur soweit formuliert, bis es zu einem Dialog zwischen Fläche, Linie und Bildraum kommt. Koch betreibt dieses Spiel solange, bis diese Liniengefüge zu Assoziationen mit etwas außerhalb des Bildes liegenden anregen. Die Linien werden zu Zeichen, die wir nicht eindeutig zuordnen können. Aber eine leise Ahnung hat jeder Betrachter, sie reift nur nicht zu einer konkreten Form in unserer Vorstellung, obwohl die Linie eine ganz konkrete Form annimmt. Wenn diese Malerei dann noch mit einer Rahmenleiste versehen wird, die den Rand der Leinwand sichtbar macht, so lenkt er unseren Blick auf die Materialität der Malerei. Aber gleichzeitig verweist die Rahmung auch auf die Malerei der 50er Jahre und auf eine Zeit, als der abstrakte Expressionismus einen Wendepunkt der Malerei einleitete: Von der Projektionsfläche zum Materialkonstrukt. Koch fasst die Malerei als Konstruktion von Material auf, aber auch als Träger von Zeichen die auf ein „außen“ verweisen – mit dieser doppelten Konnotation eröffnet Koch ein Spiel der Zeichen, die in ihrer Lesbarkeit ganz im Sinne der Semiotik immer auch rätselhaft und uneindeutig bleiben und nicht einen gewissen Witz entbehren.
Bei Sebastian Koch handelt es sich nicht um eine reduktionistische Malerei, um das Abstrahieren von Formen aus einer gegebenen Vorlage heraus. Sie repräsentiert nicht das Sich-Abarbeiten an einer Vorlage, egal ob diese Vorlage nun die nun Natur oder Kunst wäre. Sie ist aber auch kein ständiges Erproben der malerischen Mittel um ihrer selbst willen. Koch behandelt alles als Material, daraus resultiert wiederum ein spielerischer Umgang. Er unterscheidet nicht zwischen bildnerischem Material, Ideenmaterial, oder dem tatsächlichen Material, aus dem Malerei (und die moderne Plastik!) entsteht, nämlich aus Farbe, Holz, Rahmen, Leinwand etc. Dass er sich immer auch mit Kunst auseinandersetzen muss ist dabei klar. Denn sobald er nur den geringsten Eingriff ins Material der Malerei setzt, beginnt das Spiel und die Bürde der Repräsentation. Malerei und sein Diskurs sind dafür seit dem beginnenden 20. Jahrhundert elaboriert genug um neue Angriffsflächen zu bieten. Man spürt die Lust an der Auseinandersetzung bei Koch, die nicht bei der Kunst endet und im Titel der Ausstellung ebenfalls zum Ausdruck kommt.
Text von Harald Krejci
Gerwald Rockenschaub
Die Galerie Krobath freut sich, die erste Einzelausstellung von Gerwald Rockenschaub (*1952 in Linz, lebt und arbeitet in Berlin) in ihren Räumen zu zeigen. Unter dem Titel „astrobot(n)ic / philanthropic / this/that interlude (vision)“ präsentiert Rockenschaub eigens für diesen Anlass entstandene Arbeiten, die zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit changieren und in denen der Künstler seine wahrnehmungspsychologische Untersuchungen weiterführt. Da wären zum einen großformatige Intarsienbilder aus Plexiglas, bei denen unterschiedliche Elemente derart passgenau zu einem Motiv zusammengesetzt sind, dass sie zu einer einheitlichen Ebene verschmelzen, was sich allerdings erst bei genauem Hinschauen erschließt. Die Frage, was hier eigentlich zu sehen ist, wird auch in der neuen Werkgruppe der Gravurenbilder behandelt. Sie gehören zu den subtilsten Arbeiten von Rockenschaub. Auf den ersten Blick scheint es sich um monochrome Plexiglasbilder zu handeln, deren glatte Oberflächen den Umraum reflektieren. Wechseln die Betracher*innen jedoch den Standpunkt, offenbaren sich fein-gefräste Zeichnungen, die verschiedene Assoziationen hervorrufen.
Je nach Position und Lichteinfall ändert sich bei den Gravuerenbildern also das, was wir sehen oder zu sehen glauben. Das kann man politisch verstehen, etwa als Aufforderung, immer mal wieder die Perspektive zu wechseln. Aber auch eine andere Lesart wäre denkbar, wofür der Ausstellungstitel spräche: „astrobot(n)ic / philanthropic / this/that interlude (vision)“ wirkt wie Klangpoesie, deren Worte wie die minimalistischen Lineaturen der Gravurenbilder unzählige Verbindungen zur Realität ermöglichen. Aufgrund der rhythmischen Betonung kann man sich den kryptischen Slogan aber auch sehr gut als gerappten Refrain in einem Stück elektronischer Clubmusik vorstellen. Dann wären die neuen Gravurenbilder von Rockenschaub so etwas wie visuelle Musik oder musikalische Visionen, die uns in Bewegung setzen – und am Ende vielleicht sogar zum Tanzen bringen.