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Demian Kern

Der Offspring (dt. Nachwuchs) ist da.
Ein Arzt, ein Eierkopf, eine Katze, ein Bauarbeiter, ein Schokohase, ein Feuerwehrmann und Schneewittchen (im BĂŒro).

Demian Kern kehrt fĂŒr seine zweite Einzelausstellung bei der Galerie Krobath zum titelgebenden Motiv seiner letzten Ausstellung Collectibles zurĂŒck, doch diesmal werden die Sammelfiguren nicht mehr malerisch portrĂ€tiert, sondern fotografisch inszeniert und gerahmt im spiegelnden Plexiglaspassepartout prĂ€sentiert.

Dabei werden ModalitÀten der Bildproduktion an der Schnittstelle von Malerei und Fotografie weiter untersucht. Landschaftsmaler des 18. Jahrhunderts nutzten schwarze, nach Claude Lorrain benannte, Spiegel (Claude-GlÀser) als Hilfsmittel (Filter) um Tonwerte herabzusetzen und Kontraste zu verstÀrken. Kern integriert nun schwarz verspiegeltes Plexiglas als Passepartout seiner Fotografien, um die unmittelbare Umgebung ihrer Exposition mit ins Bild zu holen.

Anstelle des weißen, neutralen Malgrundes, welcher â€“ einem digitalen Screen Ă€hnlich – die Schattenprojektionen der Swarovski-Figuren in einem undefinierbaren Raum erscheinen ließ, tauchen nun in einem Fotostudio die neuen fies grinsenden Collectibles in Makroperspektive auf. Die abgebildeten Figuren und ihr Umgebungsraum verschwimmen, wĂ€hrend wir, die Betrachter*innen, sowie der uns umgebende Galerieraum umso schĂ€rfer aus dem grautönigen Spiegelbild hervortreten. Dieser vermeintlich inklusive Space wird schnell zum exklusiven – das Zuviel an Information fĂŒhrt zu einer Destabilisierung von Fokus, NĂ€he und Distanz. WĂ€hrend wir dem Objekt im Close-Up begegnen, gleiten wir durch das verspiegelte Passepartout hindurch und erkennen uns in doppelter Distanz wieder. So betrachten wir entweder unser deformiertes Selbst oder die Kreatur im Bild – beides gleichzeitig zu fokussieren schließt sich aus.

Im Gegensatz zu den transparenten Glasfiguren aus den Malereien, welche ausschließlich die Tierwelt reprĂ€sentieren und durch ihre starre, fragile MaterialitĂ€t der paradoxen Idee einer unantastbaren Natur entsprechen, bricht mit der Figur des Schneewittchens und den flexibel drehbaren Kugelköpfen, dem Violine spielenden Schokohasen etc. eine abweichende, viel haptischere RealitĂ€t ins Bild ein.

In erster Linie an Kinder adressiert, verkörpern die neuen in Offspring gezeigten anthropomorphen Sammelobjekte Aspekte des kulturellen Lebens. Wobei im Falle der Ü-Eier-Kugelkopffiguren ihre eigene Verdinglichung mitimpliziert ist – da sie oftmals doppelt besetzt sind: Beruf/Disziplin, Objekt/TĂ€tigkeit, Nahrungsmittel/Gericht (wie z.B. der Eierkopf).

Sie scheinen einem pĂ€dagogischen Zweck zu dienen, vielleicht auch eine Vermischung der Geschlechter-/Berufsrollen zu evozieren. Sie sind nicht nur Sammelfigur, sondern bewegliche, in ihre Einzelteile zerlegbare und neu kombinierbare Spielfigur. Letzteres Merkmal bildet den grĂ¶ĂŸten Gegensatz zu den Swarovski-Figuren, deren spielzeugĂ€hnliches Aussehen die Sehnsucht von Erwachsenen nach dem kindlichen Spiel mit hochwertigen Materialien â€“ die viel zu berĂŒhrungsempfindlich und zerbrechlich dafĂŒr sind – sublimiert.

Mit Offspring setzt Kern seine thematische Auseinandersetzung mit massenproduzierten SammlungsstĂŒcken, deren feinen Unterschiede in Bezug auf Vorstellungen von „taste“ und „cuteness“, sowie dem Erwachsenenblick auf spielzeugĂ€hnliche Objekte fort. Der Kindheitsfantasie des beseelten Objekts haftet im Erwachsenenalter etwas Groteskes an â€“ es wird unheimlich. Durch die Makroperspektive wird genau diese Fantasie evoziert – je nĂ€her die Linse dem Objekt kommt, umso animierter wirkt es und sein Modellcharakter schwindet.

Lucie Pia



UGO RONDINONE

Die Serie von GemĂ€lden des KĂŒnstlers Ugo Rondinone, bekannt als “MATTITUCK”, besteht aus Aquarellen auf Leinwand, die seit 2019 entstanden sind. Jedes Bild zeigt entweder den Sonnenaufgang, den Sonnenuntergang oder den Mond am Himmel, wie er vom Haus des KĂŒnstlers in Mattituck, NY, zu sehen ist. Die Kompositionen sind reduziert und in nur drei Farben gehalten.

„Wie ein Tagebuch zeichne ich das lebende Universum auf. Diese Sonne, diese Wolke, dieser Regen, dieser Baum, dieses Tier, diese Jahreszeit, dieser Tag, diese Stunde, dieser Wind, diese Art von Erde, diese Art von Wasser, dieses GerĂ€usch im Gras, diese WindstĂ€rke, diese Ruhe.“ ( Ugo Rondinone)

curated by 24hdrop. – Annabell HĂ€fner, Martin Kacmarek, Jochen MĂŒhlenbrink  

Einatmen. Ausatmen. Innehalten.

Meditationsmantras sind spĂ€testens seit dem Jahr 2021 zu spirituellen LeitfĂ€den geworden, die uns angesichts der ĂŒberwĂ€ltigenden Beschleunigung des gegenwĂ€rtigen Lebensalltags zur Ruhe zwingen. Damit scheint gerade jetzt auch die Strömung des New Age Healing an Bedeutung zu gewinnen, wo im Gegensatz zu den Leitbegriffen der Moderne – Akkumulation, MobilitĂ€t und Schnelligkeit – das aufkeimende BedĂŒrfnis nach SelbstfĂŒrsorge, Achtsamkeit, und Eskapismus im Vordergrund stehen. Introspektion und Meditation nach den Lehren Marc Aurels statt zĂŒgellose Exzesse und Fremdbestimmung. In Anbetracht des Weltzustands durchdringt eine Sehnsucht nach Nostalgiebildern und RĂŒckzugsorten unser kollektives Bewusstsein. Stillstand schenkt Zeit. Oder nicht?

Die von 24hdrop kuratierte Ausstellung „What are we looking for when time stands still?“ widmet sich anhand der Arbeiten von Annabell HĂ€fner, Martin Kacmarek und Jochen MĂŒhlenbrink der Frage nach jenen kontemplativen ZwischenzustĂ€nden, die aber nicht zuletzt auch eine fatale LĂ€hmung bedeuten können. Denn gerade eine gesunde Skepsis gegenĂŒber dem Stillstand scheint durchaus wichtig: FĂŒr die einen eine willkommene Atempause, fĂŒr die anderen ein ewig anhaltender Groundhog Day. Vergangenheit und Zukunft verschmelzen zu einer Endlosschleife, aus der es angesichts veralteter MachtverhĂ€ltnisse keinen Ausweg zu geben scheint.

Esoterische Farbspiele und verschwommene Formen kennzeichnen Annabell HĂ€fners Bilder, in denen Strukturen verschwinden und transparente Visionen von Nicht-Orten entstehen. Ihre atmosphĂ€rischen GemĂ€lde existieren als Orte des Transits: Hotels, FlughĂ€fen, Bahnhöfe und Wartehallen, die sich in einem stĂ€ndigen Wechselspiel von flĂŒchtigem Kommen und Gehen befinden. Ausgehend von intimen Erinnerungen schafft sie Sehnsuchtsorte, an denen die Zeit still steht, um fĂŒr einen kurzen Moment der Hektik des Lebens zu entfliehen.

Jochen MĂŒhlenbrink greift nostalgische Szenen auf, die wir noch aus unserer Kindheit kennen: Das Malen auf Fensterscheiben bei Regenwetter wĂ€hrend endlos langer Autofahrten. Landschaften, die einst sichtbar waren, verschwinden allmĂ€hlich im Nebel der Scheiben. MĂŒhlenbrink ist ein Eskapist, der in seinen Bildern mit der Trompe-l’Ɠil-Technik Phantasie und RealitĂ€t malerisch verbindet und durch den illusionistischen Effekt unendlich neue Weiten entstehen lĂ€sst, wo Zeit und Raum kollidieren.

Mit seinen Bildern entfĂŒhrt uns Martin Kacmarek in eine vergangene Malerei, in eine lĂ€ndliche Umgebung, in der die Zeit still zu stehen scheint und die ewige Ausdauer, die das bĂ€uerliche Leben erfordert, zum Vorschein kommt. MĂŒde wirken die Protagonistinnen bei der Arbeit oder in der Pause, dennoch kraftvoll und stolz. Kacmarek hĂŒllt die Leinwand in eine fast dĂŒstere AtmosphĂ€re, die zugleich an den Beginn und das Ende eines anstrengenden Arbeitstages erinnert. Die Airbrush-Technik verleiht den Bildern fast fotografische QualitĂ€ten, wĂ€hrend andere Details ĂŒbertrieben grotesk wirken – in Anspielung auf Videospiele. Im scheinbar unausweichlichen, ewig gleichen Alltag gelingt es Kacmarek, die Schönheit des Lebens, die sich in flĂŒchtigen Gesten verbirgt, auf die Leinwand zu bringen.

Text: Oona Zyman

Julian Opie

Letzten Sommer sind wir in der Stadt festgesessen, und da fiel mir auf, wie es sich die Leute ĂŒberall in den Londoner Parks bequem gemacht haben. Ihre Körper nahmen unterschiedlichste Positionen ein und wirkten dabei gleichzeitig recht plastisch und doch sehr menschlich. Jedes GrĂŒppchen wirkte auf seiner Weise sehr klassisch, und das erinnerte mich an Manets berĂŒhmtes Bild. Unsere Körper und Gliedmaßen, die Schwerkraft und das Gleichgewicht, all das lĂ€sst nur eine begrenzte Anzahl an Positionen zu, in denen wir uns entspannen und gleichzeitig miteinander interagieren können. Ich tat so, als wĂŒrde ich eine SMS schreiben und fotografierte dabei heimlich diese GrĂŒppchen mit meinem Handy.

Dann lud ich meine Tochter und drei ihrer Freunde in mein Studio ein und bat sie, verschiedene legere Outfits mitzubringen. Ich bat sie dann die Positionen nachzustellen, die ich in den Parks gesehen hatte. Mein Assistent und ich haben sie von allen Seiten fotografiert, und ich versuchte sie dann mit einfachen Linien nachzuzeichnen, als wĂ€ren sie MöbelstĂŒcke.

Wie sich herausstellte, war das nicht so einfach. Ich bin es gewohnt, Fotos als eindimensionale Bilder nachzuzeichnen, aber diesmal war es anders. Wir luden die Modelle nochmals ins Studio ein und scannten ihre Körper mit einer iPhone-App. Das funktionierte besser, da die App die Verzerrungen der Fotografie vermeidet und viel mehr Information wiedergibt. Trotzdem war es schwierig, und ich musste mehrmals meine AssistentInnen bitten, meine Zeichnungen in 3D-Computermodelle umzuwandeln, die ich dann im Raum drehen und positionieren konnte. Jedes der vier Modelle nahm in seinen verschiedenen Outfits die verschiedenen Posen ein, die ich im Park beobachtet hatte, und so entstanden nach und nach rund 24 Figuren. Ich wollte diese Figuren dann in unterschiedlichen Posen wie bei einem Picknick in Gruppen arrangieren.

Ich stellte diese Statuen in eine virtuelle Galerie und verwendete VR-Brillen, um zu ihnen in den Raum zu treten. Mit dem Programm konnte ich alle 24 Figuren sehen und sie in Vierergruppen zusammenstellen. Bisher waren meine Statuen immer flach, wie ausgeschnittene Zeichnungen. D.h. ich konnte sie aus flachen Materialien wie Sperrholz-, Bronze- und Aluminiumplatten ausschneiden oder, wie zuletzt, sie ausgehend von geraden Linien aus StahltrĂ€gern und Holzbalken bauen. Aber rechtwinkelig geschnittene Materialien funktionierten nicht bei diesen in verschiedene Richtungen gebogenen neuen Figuren. Es ist schwer zu erklĂ€ren, aber man kann ein eckiges Rohr nur in eine Richtung schneiden und abwinkeln, sodass man eine bĂŒndige spitze Ecke bekommt. Sobald man versucht, da eine Drehung hineinzubringen, ist die Ecke nicht mehr bĂŒndig. Die einzige Lösung war, runde Rohre zu verwenden, die man schön sauber in alle Richtungen abwinkeln kann. Das war eine Erleuchtung fĂŒr mich. Und plötzlich sah ich ĂŒberall runde Rohre: Als glĂ€nzend schwarz lackierten Handlauf bei den Stiegen runter zur U-Bahn. Als glĂ€nzend weiß lackierte Absperrung in einem Fußballstadion oder als Edelstahl-Ringe am Gehsteig, an denen man das Fahrrad anhĂ€ngen kann. Mit der Technik der runden Rohre war fast jeder Winkel möglich, und somit konnte ich auch Kurven darstellen.

Seit einigen Jahren beschĂ€ftige ich mich mit Holzstatuten aus Indonesien aus dem spĂ€ten 19. und frĂŒhen 20. Jahrhundert. Diese wurden von austronesischen VolksstĂ€mmen in Borneo und Sulawesi sowie Vietnam und Sumba hergestellt. Diese Figuren sind alle sehr frontal, wobei mir bei manchen aufgefallen ist, dass die Knie gebeugt waren. Ich fand dann auch Figuren, deren Körper in der Hockerstellung waren. Das brachte mich auf die Idee, mit meiner seit Jahren verfolgten Arbeit mit flachen Materialen zu brechen. Ich beobachtete jetzt die Leute um mich mit anderen Augen und merkte, dass ihre Körperhaltung und Gliedmaßen andere Möglichkeiten eröffneten und komplexe flĂ€chige Faltungen zulassen. Auf dem Flughafen sah ich Menschen, die sich stehend oder hockend an die Wand lehnten. Und das brachte mich auf die Idee, alternativ zu den anderen Figuren eine Gruppe von Figuren zu entwerfen, wo sowohl der Boden als auch die Wand als StĂŒtze fĂŒr die Figuren zum Einsatz kommen.

Normalerweise stellt ein KĂŒnstler seine GemĂ€lde oder Skulpturen in einer Galerie aus, wo sie von Besucherinnen und Besucher besichtigt werden, die sich ebenfalls im kĂŒnstlerischen Raum befinden, aber in einem anderen, parallelen Sinn. Ich wollte den Raum mit Darstellungen von den BesucherInnen selbst vollstellen. Ich habe vor, die Galerie so mit Figuren zu bevölkern, als wĂ€re sie ein öffentlicher Park oder ein Warteraum.

Text: Julian Opie

Eröffnung: 11 Juni 2022

Ausstellungsdauer: 11 Juni – 31 August 2022

Sophia SĂŒĂŸmilch

Sophia SĂŒĂŸmilch und die Ausstellung des Kleinen Mannes (Selbstbildnis mit Krokodil)

Pain, oida. So einen Pain wie diese Sophia SĂŒĂŸmilch in ihrem Kopf musst du erst mal haben.
Aber macht nix, wir verrotten ja alle irgendwie. Im Kapitalismus, und da ist ja der Kunstmarkt das AllerÀrgste, da muss funktionieren, muss muss muss, tack tack tack.
Und als KĂŒnstlerin, da musst du ja ĂŒberhaupt die Allerbeste sein, etwas ganz Besonderes, hervorstechen aus der grauen Masse der IndividualistensĂ€ue.
Da entsteht ein Druck, schon wenn du frĂŒh morgens die Äuglein aufmachst mĂŒssen dir die genialsten Gedanken kommen, wenn du dich mal fĂŒnf Minuten zu Ruh legen willst, dann ham sie dich schon alle ĂŒberholt.
Ganz gewiss nicht darfst du es machen wie der kleine Mann: ein Leben fĂŒhren. Bestehend aus vielen Teilen, die sich alle unterscheiden und abwechseln, bis das Leben wieder vorbei ist, alles normal.
Das Leben war vorbei in dem Moment als sie die Mappe fĂŒr die Kunstakademie abgegeben hat.
BĂ€m BĂ€m BĂ€m, SĂŒĂŸmilch, komm hau die BrĂŒste raus, ist dieses painting schon verkauft.
Der Pressure sitzt, jetzt wo die Frau bald 40 ist, fest in ihrem SchÀdel.
Denn auch wenn Sie ein Göttin sein möchte, sie ist doch nur ein Menschlein mit ihrem kaputten SchÀdel, der Ideen spucken muss.
Da fetzen die Bilder da faucht die Muschi, es rauschen die Nerven, noch spĂŒrt das Herz.
Der Glaube sitzt da in ihrem Herzen, dass geboren zum Genie sie nicht ist, dennoch, vielleicht, wenn Sie sich ganz ganz arg anstrengt, dann.
HĂ€tte man sie doch nur einmal zur Klassensprecherin gewĂ€hlt in ihrer Kleinstadt, es wĂ€re die ganze Nummer mit KĂŒnstlerin pi pa po erspart geblieben.
Das Leben ist Leiden, ist SchÀdlweh: sitzt da festgebissen wie ein Krokodil das zu faul und zu blöd zum Laufen ist. Mappe abgegeben, Festgeschnappt. Hat es sich und sitzt seitdem dort.
Kennt ihr es schon? Kennt ihr es auch? In meinem Schmerz, da möchte ich nicht alleine sein.
Nicht musst du alleine sein, Sophia SĂŒĂŸmilch, weil ich bin du und du bist ich, ach sind wir nicht alle nur der Kleine Mann. Nur so ein Gedanke, SĂŒĂŸmilch, mitten im Schmerz, da sitzt er doch, der Gedanke „Kleiner Mann“ , der ist bei dir und ihr seid ohne Einsamkeit. Es ist der Gedanke, der zĂ€hlt.
Sei Göttin, sei gut und normal, sagt er.
Das ist schön
Wir sind jetzt hier, Krokodil, Mann und ich.
Und im Pain
Da muss man nicht alleine sein.
Da teilen wir auf, weil gemeinsam ist man stark.
Kapitalismus freut sich auch, weil Arbeitsteilung Optimierung ist.
Der erste Gedanke des Tages muss stets sein:
Je suis moi, je suis toi, je suis Der kleine Mann.

Text: Sophia SĂŒssmilch

PERFORMANCE:
“Lustiges Ostereier suchen”
mit Sophia SĂŒĂŸmilch und ihrer Mama
mit Felix Burger und Vito BaumĂŒller
14. April 2022, 19 Uhr

Hertha Hurnaus

UntergrĂŒndig

Oben glitzern die Luster, alles drĂ€ngt ins Rampenlicht. Unten ist es still und kĂŒhl, ohne Prunk und Publikum. Zwölf Meter unter dem Wiener Null spielt es keine Rolle, welche Vorstellung oben gerade lĂ€uft. In den Tiefgeschossen der Ringstraßenbauten bleiben die dienstbaren RĂ€ume still unter sich. Hier, an der Unterseite des Geschehens, vollzieht sich die Mechanik der VorgĂ€nge unbemerkt. Diese Unmerklichkeit ist ihr Zweck, geht es doch in den gerĂ€uschempfindlichen Monumentalbauten vor allem um haustechnische Reibungslosigkeit, um lautlose Frischluftversorgung, Heizung und KĂŒhlung, darum, dass in den PrunkrĂ€umen oben niemandem der Atem ausgeht.

All die LĂŒftungsgĂ€nge, Frischluftschleusen und KapillarschĂ€chte, Requisitenmagazine und Kulissendepots, Heizzentralen und Zisternen bilden unter der Ringstraße eine Welt fĂŒr sich, mit einer eigenen Ikonografie und MonumentalitĂ€t, die sich an niemanden wendet. Diese RĂ€ume reprĂ€sentieren nicht, sie sind.

Wer in diesen Untergrund abtaucht, bewegt sich durch die Glieder eines riesigen Apparats und macht sich automatisch zum Komplizen einer Mechanik, die das Funktionieren der Prachtbauten sichert. Mit SelbstverstĂ€ndlichkeit setzt das technische Personal im tiefsten Kellergeschoß die AblĂ€ufe in Gang, öffnet im richtigen Moment die Schleusen, kurbelt an einem Zahnrad, kennt jeden Winkel im Geflecht einer vielfach geflickten Infrastruktur. Vereinzelt herumstehende Truhen, Sessel und BĂ€nke zeugen von menschlichem Aufenthalt, beilĂ€ufig und ohne Anspruch zu bleiben. Bisweilen taucht unvermittelt die heimelige Nische eines Arbeitsplatzes auf, Tisch, Stuhl, Lampe, Jause, fern jeden Tageslichts, surreal in seiner NormalitĂ€t. Oft muss man nur eine unscheinbare TapetentĂŒr durchschreiten, um sich auf der HinterbĂŒhne eines Historismus wiederzufinden, dessen Fassade sich als papierdĂŒnne Kulisse erweist. Hinter und unter der BĂŒhne, auf der „Wien“ aufgefĂŒhrt wird, findet die perfekt ausgeleuchtete Inszenierung der Ringstraße ihr GegenstĂŒck. SchĂ€chte und GĂ€nge, kathedralenhafte oder klaustrophobische Tunnel der Zirkulation, verschlungene Wege der Frischluft von irgendwo nach irgendwo, aufgeladen mit Nichts. Selbst in den RĂ€umen, die nur ihr vorbehalten sind, bleibt die Technik oft rĂ€tselhaft oder ganz unsichtbar. Kabel und Rohre tauchen auf und verschwinden wieder, rostige Scharten im Boden zeugen als archĂ€ologische Spuren von obsoleten Turbinen. Dazu mischen sich Spuren der Geschichte, die hier nicht ĂŒberschminkt wurden. Notizen an den WĂ€nden, Pfeile zu Fluchtwegen der Vergangenheit, lĂ€ngt vergessene technische Geheimcodes. Der Untergrund des Rings – ein Reservat der verdrĂ€ngten Erinnerungen.

Gabriele Kaiser, Maik Novotny

Gerwald Rockenschaub

Die Galerie Krobath freut sich, die erste Einzelausstellung von Gerwald Rockenschaub (*1952 in Linz, lebt und arbeitet in Berlin) in ihren RĂ€umen zu zeigen. Unter dem Titel „astrobot(n)ic / philanthropic / this/that interlude (vision)“ prĂ€sentiert Rockenschaub eigens fĂŒr diesen Anlass entstandene Arbeiten, die zwischen Abstraktion und GegenstĂ€ndlichkeit changieren und in denen der KĂŒnstler seine wahrnehmungspsychologische Untersuchungen weiterfĂŒhrt. Da wĂ€ren zum einen großformatige Intarsienbilder aus Plexiglas, bei denen unterschiedliche Elemente derart passgenau zu einem Motiv zusammengesetzt sind, dass sie zu einer einheitlichen Ebene verschmelzen, was sich allerdings erst bei genauem Hinschauen erschließt. Die Frage, was hier eigentlich zu sehen ist, wird auch in der neuen Werkgruppe der Gravurenbilder behandelt. Sie gehören zu den subtilsten Arbeiten von Rockenschaub. Auf den ersten Blick scheint es sich um monochrome Plexiglasbilder zu handeln, deren glatte OberflĂ€chen den Umraum reflektieren. Wechseln die Betracher*innen jedoch den Standpunkt, offenbaren sich fein-gefrĂ€ste Zeichnungen, die verschiedene Assoziationen hervorrufen.

Je nach Position und Lichteinfall Ă€ndert sich bei den Gravuerenbildern also das, was wir sehen oder zu sehen glauben. Das kann man politisch verstehen, etwa als Aufforderung, immer mal wieder die Perspektive zu wechseln. Aber auch eine andere Lesart wĂ€re denkbar, wofĂŒr der Ausstellungstitel sprĂ€che: „astrobot(n)ic / philanthropic / this/that interlude (vision)“ wirkt wie Klangpoesie, deren Worte wie die minimalistischen Lineaturen der Gravurenbilder unzĂ€hlige Verbindungen zur RealitĂ€t ermöglichen. Aufgrund der rhythmischen Betonung kann man sich den kryptischen Slogan aber auch sehr gut als gerappten Refrain in einem StĂŒck elektronischer Clubmusik vorstellen. Dann wĂ€ren die neuen Gravurenbilder von Rockenschaub so etwas wie visuelle Musik oder musikalische Visionen, die uns in Bewegung setzen – und am Ende vielleicht sogar zum Tanzen bringen.

Caroline Corleone | Theresa Eipeldauer | Anna Meyer | Muntean/Rosenblum | Haleh Redjaian | Esther Stocker | Katja Strunz | Sofie Thorsen | Jenni Tischer

CAROLINE CORLEONE
Geboren 1982 in Erlangen, D. Lebt und arbeitet in Berlin, D.

Caroline Corleones Kunst greift die grundlegenden Malbewegungen der letzten Jahrzehnte wie abstrakten Expressionismus oder Farbfeldmalerei. Da sie am Puls der Zeit ist, findet sie Inspiration in postmedialen Strategien des Kopierens und der digitalen Montage. Sie verwendet gerne Stoffe, spielt wild mit Mustern oder „malt“ mit ihrer NĂ€hmaschine auf Leinwand. Ihre Kunstwerke ziehen den Bogen zwischen Realem, Digitalem und Gemaltem: KĂŒnstliche Formen nachgeahmter Natur treffen auf urbane Interventionen, abstrakte Pinselstriche kreuzen Fragmente und Reste sich wiederholender digitaler Muster.
Die neue Werkserie ist inspiriert von TextilentwĂŒrfender KĂŒnstlerin Mathilde Flögl (Wiener WerkstĂ€tte).Die mehr oder weniger zufĂ€lligen Formen der Textilzuschnitte Flögls aus dem MAK Archiv (vor Ort Recherche im Februar 2019) sind der Ausgangspunkt fĂŒr neue Kompositionen, erweitert mit grafischen „Zeichnungen“ per NĂ€hmaschine.Die Pattern Serie PPI* findet in der Flögl Serie eine WeiterfĂŒhrung, indem gegebene Pattern als fragmentarische Stellvertreter in blow ups als eigenstĂ€ndige kĂŒnstlerische Arbeiten Form finden.



THERESA EIPELDAUER
1985 geboren in Wien, A. Lebt und arbeitet in Wien, A.

Die bildnerische Reichweite der von Theresa Eipeldauer eingesetzten Formensprache durchkreuzt eine FĂŒlle von Materialien und technischen Prozessen, die auf das Primat der Zeichnung und der Malerei zurĂŒckzufĂŒhren sind, diese Medien jedoch in unterschiedlicher Weise analysieren und in einer weiteren Stufe rĂ€umlich fortfĂŒhren.
Momente der Transparenz zeigen sich in den Strichzeichnungen von Theresa Eipeldauer, bei denen es sich um eine VervielfĂ€ltigung des Themas Linie handelt, die auf einer Folie und oftmals auch in einem zweiseitig begehbaren Stellwand-TrĂ€gersystem eingebaut, die Schwerkraft des Raums aufzuheben scheinen. Mit dieser Trope rekurrieren Eipeldauers Arbeiten auf Friedrich Kieslers Leger- und TrĂ€gersystem, das er fĂŒr die internationale Theater-ausstellung 1924 in Wien entwickelt hatte. Dabei handelte es sich um eine modulare, freistehende Konstruktion von BĂŒhnenelementen, auf denen Objekte und Bilder prĂ€sentiert wurden. Ebenso zeigen sich hier inhaltliche Parallelen, wenn Eipeldauers grafische Formationen in einigen Instanzen Referenzen zu Kieslers Formensprache aufweisen. Aus: Heike Maier-Rieper. “Theresa Eipeldauer.” in: 95-2015 Jubilee evn collection. Wien: Verlag fĂŒr moderne Kunst, 2015.



ANNA MEYER
Geboren 1964 in Schaffhausen, CH. Lebt und arbeitet in Wien, A.

In ihren Werken (Bildtafeln, Zeichnungen, Modellen, Interventionen im öffentlichen Raum) setzt sich Anna Meyer auf ironisch-provokative Art mit der heutigen globalen Kultur und den sozial-politischen und feministischen Themen der neoliberalen Gesellschaft auseinander.
„Gerade die Malerei gab sich in den letzten Jahren angesichts der neoliberalen Globalisierung und der stetig bewusster werdenden Klimakatastrophe immer wieder als bloß Ă€sthetisches Schmankerl, als, um es in den Worten des Philosophen Theodor W. Adorno zu sagen, “Fetisch und mĂŒĂŸige Spielerei solcher, welche die drohende Sintflut gern verschliefen”. Die Malerei von Anna Meyer hat da noch nie mitgespielt, vielmehr gehen bei ihr gesellschaftskritische Reflexion, visuelle Bild- und Themenfindung sowie deren formale Umsetzung stets Hand in Hand“. Aus: Raimer Stange „Nostalgia for an age yet to come“.
Die aktuellen Zeichnungen in der Ausstellung sind in der ersten Phase des Corona-Lockdowns MĂ€rz 2020 entstanden und stellen so wieder einen ganz aktuellen Zeitbezug her.


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Josef Bauer | Hertha Hurnaus | Fritz Panzer | Sofie Thorsen

JOSEF BAUER
1934 geboren in Wels (A), Lebt und arbeitet in Linz und Gunskirchen, (A).

Einige KĂŒnstlerinnen und KĂŒnstler, unter ihnen Josef Bauer, widmeten sich seit den 1950er Jahren der Sprache, um in der Plastik neue Wege zu gehen. Bauer war so wie viele seiner Zeitgenossinnen und Zeitgenossen auf der Suche nach einer kĂŒnstlerischen Sprache, die es ermöglichte, die Welt erneut zu „fassen“. Eine Welt, die mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor riesigen UmbrĂŒchen und Neuerungen stand. Eine Welt in der „Krise“ stellt vor allem KĂŒnstlerinnen und KĂŒnstler vor große Herausforderungen und vor die Frage, welche Geschichten sich noch erzĂ€hlen lassen, wenn die erlebten Geschichten schon jede Vorstellung ĂŒbersteigen. Eine Welt, die aus den Fugen geraten ist, muss gekittet oder besser auf einer anderen Ebene erzĂ€hlt werden.
Bauers Werk ist von den medientheoretischen und Informationstheoretischen Diskursen der 60er geprĂ€gt. “Anfang der sechziger Jahre interessierte mich der Körper im Raum und ich thematisierte den Bereich zwischen Körper und Umgebung.” Josef Bauer.
Als Bauer sich auf den Weg machte, sich die Welt auf einer neuen, abstrakten Ebene anzueignen, wurde ihm bei der Ausformulierung seiner „Bild-Sprachen“ die Schrift immer wichtiger. Aus: Harald Krejci „Explorations, 2019


HERTHA HURNAUS
1951 geboren in Linz (A). Lebt und arbeitet in Wien (A).

Die Fotografien von Hertha Hurnaus sind dem Werk des slowakischen Architekten Vladimir Dedeček gewidmet, das zwischen 1960 und der Wende im Jahr 1989 entstand. Doch die Bilder sind weniger dokumentarisch, als vielmehr eine Hommage an eine Epoche des Aufbruchs in der Architektur. Durch die Konzentration auf InnenrĂ€ume und Details lassen sich die fotografierten Bauten nur fĂŒr Kenner unterscheiden. Was sie alle miteinander verbindet, tritt in den Vordergrund: Farbkompositionen, die an abstrakte Kunstwerke erinnern. Kaum eine Autostunde von Wien entfernt, entstanden Bauten, die auf heutige Beobachter eher wie Raumschiffe wirken, die geradewegs aus einer optimistischen Zukunft gelandet zu sein scheinen. Aus: Oliver Elser „Hertha Hurnaus“, 2015


FRITZ PANZER
1945 geboren in Judenburg (A). Lebt und arbeitet in Wien, (A).

Laut Wikipedia wurde die Technik erstmals vor 2000 Jahren in China angewandt. Zur Herstellung eines Druckrahmens bespannte man einen Holzrahmen mit menschlichem Haar und befestigte darauf eine Schablone aus BlÀttern. So entstand möglicherweise das erste Siebdruckbild.
Die Farbe durch ein Gewebe auftragen. So wĂŒrde ich die Maltechnik zu diesen Bildern beschreiben, eben um nicht Siebdruck zu sagen. Siebdruck deshalb nicht, weil es mir hier nie um VervielfĂ€ltigung ging. Diese Arbeiten sind Unikate.
Der flĂ€chige Auftrag von Farbschichten lĂ€sst sich mit der Siebdrucktechnik gut machen. Hier allerdings auf einfachste Weise: ein Vorhangstoff meiner Mutter diente als Gewebe, aufgespannt auf einem Holzrahmen, die Schablonen aus Zeitungspapier, die Farbpigmente wurden mit Hautleim angerĂŒhrt. Fritz Panzer.


SOFIE THORSEN
1971 geboren in Aarhus (D). Lebt und arbeitet in Wien, (A).

Die eingravierten Zeichnungen beziehen sich auf die Farbe und die Form des Steins. Der dĂŒnne Strich legt sich in den Vordergrund, dadurch bekommt die OberflĂ€che des Steins eine RĂ€umlichkeit, die vorher so stark nicht wahrnehmbar war.
Die Steine selbst sind zufĂ€llige FundstĂŒcke aus Resten von Steinmetz- und Bauarbeiten. Fragmente von einem Ganzen, das nie mehr zusammenkommen wird.
Die Ausstellung in der Pinakothek der Moderne, MĂŒnchen fand im Zusammenhang des hundertsten Jahrestags zur Bauhaus GrĂŒndung statt. Als eine von fĂŒnf Gegenwarts-KĂŒnstlerinnen wurde Sofie Thorsen eingeladen, sich mit Bauhaus-Arbeiten aus der Museumssammlung auseinanderzusetzen.
Ihre Bauelemente, großformatige rohe Drahtmodelle, beziehen sich auf 8 kleine Objekte des KĂŒnstlers und Architekten Herrmann Finsterlin, die Didyms, wobei Didym fĂŒr Zwilling oder Double steht. Zum Teil Spielzeug, zum Teil geometrisches Model, zum Teil Prototyp verweigern sich diese farbenfrohen Kombinationen einfacher Formen jeder klaren Definition, sie könnten aber als Prototyp eines Baukasten-Spieles gemeint gewesen sein.
Die Arbeit Schlagschatten (Drehbuch oder Partitur) bezieht sich auf Architektur-Skizzen aus den 1960er Jahren, die Vladimir Dedeček zum Bau der slowakischen National Galerie in Bratislava angefertigt hat. Der Rhythmus der Zeichnungen beruft sich Dedečeks Fassadengestaltung in zwei unterschiedlichen Bauabschnitten. Schlagschatten der Architektur ergeben die rhythmische Abfolge schwarzer Formen. Wir zeigen Vorarbeiten. Die gesamte Partitur ist zu groß, um auf einen Blick gesehen zu werden. Sofie Thorsen.

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