âMeine Malerei ist die Vermittlung eines Zustandesâ, sagt Elisa Alberti. âšDie Bilder der Wiener KĂŒnstlerin mit deutschen und italienischen Wurzeln bestimmen einfache geometrische Formen und sanfte, monochrome FlĂ€chen. Innerhalb weniger Jahre ist es Alberti gelungen, eine unverkennbare Bildsprache zu entwickeln. Das reduzierte Formenvokabular und der stimmige Farbklang, die geschwungenen FlĂ€chen und weichen Rundungen sind stringent ausgefĂŒhrt und von einer konsequenten malerischen Grundhaltung geprĂ€gt. Umgesetzt sind die Arbeiten in Acryl und Lack auf Leinwand oder Holz als BildtrĂ€ger; neben groĂen, finden sich auch seriell anmutende, kleine Formate. Immer wieder gestaltet Alberti auch raumgreifende Installationen, um experimentierfreudig wie selbstbewusst FlĂ€che und Raum, Zwei- und DreidimensionalitĂ€t zueinander in Dialog zu setzen.
Elisa Alberti bedient sich eines genau definierten, aber intuitiv eingesetzten Farb- und Zeichenrepertoires, das sie immer wieder neu variiert und adaptiert. Die KĂŒnstlerin betreibt ein vielschichtiges, offenes Spiel mit der OberflĂ€che; kein malerischer Duktus ist erkennbar, nur die Leinwandstruktur schimmert bisweilen durch (nicht aber bei der glatten HolzoberflĂ€che, die die Formen noch stĂ€rker in sich geschlossen erscheinen lĂ€sst). So entstehen farblich wunderbar abgestimmte MalentwĂŒrfe mit feinen Zwischentönen und fast transparenten Schichtungen. Weich ĂŒberlappen sich die einzelnen Bahnen, subtile Kontraste von hellen und dunklen Tönen. Die Bildfarben werden jedes Mal neu gemischt, exakte farbliche Wiederholungen sind damit ausgeschlossen. Die Malerei bestimmt ein meist gedĂ€mpftes, mattes Kolorit, intensiv gerade in seiner Zartheit: ein helles Blau, ein Ockerton, eine Sandfarbe mit weiĂer Lasur, die sich wie ein Schleier ĂŒber die Farben legt. Immer wieder drĂ€ngen sich auch sattes Schwarz, gebrochenes WeiĂ oder warme Grautöne ins Bild. Daneben entwickelt die KĂŒnstlerin eine Bandbreite an flĂ€chigen Rundungen, die sich aufeinander beziehen â wobei jedes Bild auch Reaktion auf das vorhergehende bzw. Referenz fĂŒr das nĂ€chste sein kann. Variation und Differenz spielen im Prozess der Motivfindung eine wesentliche Rolle. Ebenso die Frage, wie es möglich ist, durch minimale Abweichungen und Verschiebungen â eine verĂ€nderte Form, ein stĂ€rker akzentuiertes Farbfeld â einen neuen Bildaufbau zu finden.
Deshalb erscheinen die Werkblöcke oft wie Serien, obwohl die einzelnen Bilder auch fĂŒr sich allein Bestand haben. Neben FlĂ€che und Schichtung wird MaterialitĂ€t und Volumen der Bilder sowie ihr VerhĂ€ltnis zum umliegenden Raum stets mitgedacht. Auch wenn die Arbeiten von einer flĂ€chigen Malerei geprĂ€gt sind, werden sie Schicht fĂŒr Schicht konstruiert und erscheinen natĂŒrlich immer auch als dreidimensionale Körper. Bei den kleineren Holzbildern bemalt die KĂŒnstlerin auch die Seiten; sie lĂ€sst die Arbeiten wie Objekte erscheinen und hĂ€ngt sie im Ausstellungsraum in dialogischen Blöcken. Gern inszeniert Alberti auch stimmige Wand- und Rauminstallationen. Dabei entstehen Bilder, die sich Raum nehmen â und RĂ€ume, die Bilder in sich tragen. Die bemalten WĂ€nde mit genau festgelegter HĂ€ngung und die in den Raum gestellten Malobjekte, weisen ĂŒber die Begrenzung durch Leinwand und Holz hinaus und verdeutlichen, dass das einzelne Bild nur ein kleiner Ausschnitt der kĂŒnstlerischen Wirklichkeit sein kann. Das Ende der Leinwand ist nicht das Ende des Bildes. Das unbegrenzte, unaufhörliche Bild ist aber nur in einem Ausschnitt darstellbar, denn die menschlichen Möglichkeiten sind begrenzt.
Alberti hat immer schon malerisch und grafisch gearbeitet, am Anfang ihres kĂŒnstlerischen Schaffens standen aber noch figurative Motive, etwa organisch-pflanzliche Formen in Verbindung mit abstrakten Elementen. Diese wurden mit der Zeit immer reduzierter, der Abstrahierungsgrad gröĂer, bis es schlieĂlich keinen Verweis mehr auf den Gegenstand gab. Heute bestimmt ein selbstreferenzieller Möglichkeitsraum ihre Malerei â ohne jede Beziehung zur visuellen Wirklichkeit. Die bildnerischen Elemente sind weder Abbild der Natur noch symbolisch gemeint, sondern in einem vielseitigen Wechselspiel nur auf sich selbst bezogen. Was es auf dem abstrakten GemĂ€lde zu sehen gibt, ist eine intelligible Ordnung (nur ĂŒber den Intellekt erkennbar), die ihren Sinngehalt in der malerischen Ordnung der FlĂ€che des GemĂ€ldes findet. Es befreit sich von jenem Bezug auf die Wahrnehmungswelt und wird zur autonomen Artikulation auf der BildflĂ€che, zur piktoralen Sprache aus Formen und Farben. Alberti verzichtet also auf traditionelle Funktionen des Bildes wie Nachahmung und Illusion, sie will nichts abbilden oder erzĂ€hlen. Gibt es Figuration oder eine lesbare Bildgeschichte, kann sich die KĂŒnstlerin hinter sie zurĂŒckziehen oder vielleicht auch verstecken, wenn aber der abstrakte Gestus offen daliegt, muss dieser allein fĂŒr sich sprechen. Die Bilder können in ihrer monochromen, ruhigen OberflĂ€chengestaltung dabei eine Aura entfalten, die bei Betrachter*innen Empfindungen der Kontemplation oder auch Meditation auslösen. Doch auch solche Ansichten liegen fĂŒr Alberti auĂerhalb ihrer Intention und kĂŒnstlerischen Forderung. Ihre Malerei verweist weder auf die Welt der Dinge noch ist es ihr Ziel, metaphysisch-spirituelle BezĂŒge zu erschaffen. Vielmehr nimmt die KĂŒnstlerin die visuelle Wirklichkeit der Malerei selbst ernst. In selbstreflexiver Zuspitzung soll nichts vom rein Malerischen ablenken.
Die spezifische geometrische Anordnung von FarbflĂ€chen und die daraus resultierende Ăsthetik lĂ€sst natĂŒrlich an Werke der konkreten Kunst denken, einer Strömung, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Chance eines kĂŒnstlerischen Neuanfangs wagt. Konstruktive, konkrete KĂŒnstler*innen lehnen die figurativen Tendenzen des österreichischen Expressionismus ab und folgen einem Kunstbegriff, der auf Linien, FlĂ€chen und Farben basiert und meist ein klares geometrisches Prinzip vertritt. Marc Adrian, Richard Kriesche oder Helga Philipp rĂŒcken die Frage nach einer neuen Rolle des Betrachtenden und seiner Wahrnehmung in den Mittelpunkt und untersuchen die Beschaffenheiten von kĂŒnstlerischen OberflĂ€chen und Strukturen. In der âNeo Geoâ-Bewegung (âNeue Geometrieâ) der 1980er Jahre werden diese Fragen, etwa von Dora Maurer und Gerwald Rockenschaub, wieder aufgegriffen. Die Neo-Geos setzen der wilden, schnellen und figurativen Malerei der âJungen Wildenâ bewusst streng geometri- sche Formen in farbigen Farbfeldern entgegen. Gleichzeitig zeigt sich, dass das gemeinsame Interesse an neuen gestalterischen Elementen in der Geometrie, in der Raumerfahrung, in deren Wahrnehmung zu ganz unterschiedlichen kĂŒnstlerischen Strategien fĂŒhren kann.
Die Vertreter*innen dieser VĂ€ter- und GroĂvĂ€tergeneration sind prĂ€sent, die Kunstgeschichte, ihre Stile und Ismen schwingen in den MalereienâšnatĂŒrlich mit, aber stĂ€rkere Relevanz hat das Hier und Jetzt und gegenwĂ€rtige kĂŒnstlerische Konzepte, so etwa der Austausch mit Kolleg*innen. ZusĂ€tzlich unterscheidet sich ihr kĂŒnstlerischer Ansatz in ideologischer Hinsicht doch grundlegend von den historischen Positionen. Das gilt vermutlich fĂŒr viele KĂŒnstler*innen ihrer Generation. âWar die klassische konkrete Kunst der ersten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts von der Ăberwindung des individuellen Gestus zugunsten einer zwingenden bildnerischen Logik gekennzeichnet, was in zahlreichen theoretischen Schriften Niederschlag fand, so haben sich ihre doktrinĂ€ren Prinzipien im Laufe von Generationen verflĂŒchtigt,â schreibt Alexandra Schantl. âDie Sprache der Geometrie ist also lĂ€ngst zu einer selbstverstĂ€ndlichen visuellen Ausdrucksmöglichkeit geworden, bei der es weder um die Veranschaulichung rationaler GesetzmĂ€Ăigkeiten noch um eine programmatische oder stilistische Festlegung geht, sondern um das Anverwandeln einer Tradition ohne unmittelbaren Innovationszwang.â Worauf es nunmehr ankomme, sei weniger die dogmatische Visualisierung eines streng konzeptuellen Denkens
als vielmehr die stimmige Umsetzung eines subjektiven und durchaus emotional geprÀgten Kunstwollens mittels geometrischer Elementarformen.1
Als Kunsthistoriker sollte man demnach nicht den Fehler machen, wieder eine Schublade zu finden, in die kĂŒnstlerische Positionen wie jene Albertis eingeordnet werden können. Auch wenn sich ihre minimalistische Formensprache auf geometrische Grundprinzipen beruft, ist Alberti doch freigespielt von der kunstgeschichtlichen Vergangenheit. Sie findet zu ihrer malerischen Bildlichkeit weniger durch Konzept und theoretischer Reflexion, als durch Intuition und kĂŒnstlerischem GespĂŒr. Dabei gelingt ihr ein lustvolles wie sinnliches Spiel mit einer unverwechselbaren Farbpallette, mit formschönen FlĂ€chen, (fragmentierten) Kreisen und Rechtecken. Alberti zeigt uns eine persönliche Handschrift, die in Ausdruck und Form durchaus gegenwĂ€rtig, ja vielleicht sogar zeitlos ist.
1 Alexandra Schantl schreibt diese treffende Analyse bezogen auf das geometrische Werk von Franz Stefan Kohl. Alexandra Schantl. Farbe. Bewegung, in: Franz Stefan Kohl, Between Gesture and Geometry, Wien 2017, S. 45.
Text: GĂŒnther Oberhollenzer
Werke
Werke
Biografie
Elisa Alberti
1992 in Kiel, Deutschland geboren. Aufgewachsen in Bruneck, SĂŒdtirol. Lebt und arbeitet in Wien, Ăsterreich.
Sie studierte Grafik und Druckgrafische Techniken an der Akademie der bildenden KĂŒnste in Wien bei Professor Gunter Damisch und Professor Christian Schwarzwald.
Einzelausstellungen
Gruppenausstellungen
2024 | âtranscending formsâ, Galerie Krobath, Wien |
2021 | âVon der Möglichkeit der einfachen Formâ, Galerie Krobath, Wien |
2020 | âfragmentsâ, Galerie Prisma, Bozen |
2019 | Artist Statement Parallel Vienna, Galerie Sophia Vonier, Wien |
2024 | âBeziehungsgeflechteâ, GefĂ€ngnisgalerie in Kaltern |
2022 | “Einfach Schön”, Galerie der Stadt Wels |
2020 | âZu Gastâ Gruppenausstellung im Atelierhaus Salzamt, Linz |
Artist Statement Parallel Vienna, Galerie Gans, Wien | |
Position Art Fair Berlin, Vijon Art Galerie, Berlin | |
âtransitionsâ Galerie Sophia Vonier, Salzburg | |
âartigathome: Willkommen zurĂŒckâ, Galerie Prisma, Bozen | |
2019 | âLiving Studioâ, space Q21, Wien (kuratiert von Jan Arnold Gallery) |
âRelationâ mit Julia Bornefeld, Galerie Paul Hafner, St. Gallen | |
âAugenlustâ, Galerie Sophia Vonier, Salzburg | |
âBetween the linesâ, Xhibit, Wien | |
âNew Traditionâ als Teil der Bina19-Internationale Architekturwoche, Galerie Likovna, Belgrad | |
2018 | â19/Kunstakt/Handle with careâ, Kanzlei Fellner Wratzfeld&Partner, Wien |
âGENESISâ, Tryfon Art Residency, Lesbos | |
âDruckgrafik am Brillantengrundâ, Hotel am Brillantengrund, Wien | |
2016 | âPunkt.Strichâ, Projektraum âdas Manfredâ, Wien |
Duoausstellung mit Johannes Bosisio, Kunstraum Variatio, Bruneck | |
2015 | âDie Formâ, Kunstraum HERR LEUTNER, Wien |
âAbsberggasse vorausâ, HilgerBROTKunsthalle, Wien | |
2013 | âWhy should I be originalâ, Galerie Prawneg&Wolf, Bruneck |
Texte
Collectors Agenda, “In The Studio, Elisa Alberti, Wien”, Interview: Barbara Libert, www.collectorsagenda.com/de/in-the-studio/elisa-alberti | |
Ausstellungen
Galerie Krobath:
transcending forms
05.04.â03.05.2024
Elisa Alberti | Michael Bauch | Theresa Eipeldauer | Sebastian Koch | Fritz Panzer
15.04.â03.06.2021
Von der Möglichkeit der einfachen Form
11.02.â01.04.2021